› Tierrechte - Rahmenbedingungen einer Tierethik

1.0 Vorchristliche Einstellungen

1.1 Die Perspektive der Genesis

»Und Gott sprach: Die Erde bringe hervor lebendiges Getier, ein jedes nach seiner Art: Vieh, Gewürm und Tiere des Feldes, ein jedes nach seiner Art. Und es geschah so. Und Gott machte die Tiere des Feldes, ein jedes nach seiner Art, und das Vieh nach seiner Art und alles Gewürm des Erdbodens nach seiner Art. Und Gott sah, dass es gut war. Und Gott sprach: Lasset uns Menschen machen, ein Bild, das uns gleich sei, die da herrschen über die Fische im Meer und über die Vögel unter dem Himmel und über das Vieh und über alle Tiere des Feldes und über alles Gewürm, das auf Erden kriecht. Und Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn; und schuf sie als Mann und Weib. Und Gott segnete sie und sprach zu ihnen: Seid fruchtbar und mehret euch und füllet die Erde und machet sie euch untertan und herrschet über die Fische im Meer und über die Vögel unter dem Himmel und über das Vieh und über alles Getier, das auf Erden kriecht«. (Gen 1, 24ff)

1.2 Zur Deutung der Schöpfungserzählung

Die Bibel sagt uns, dass Gott den Menschen nach seinem eigenen Bilde geschaffen habe. Dem Menschen wird damit eine besondere Stellung im Universum zugeteilt, nämlich jene der Überlegenheit gegenüber allen anderen lebenden Wesen. Darüber hinaus heißt es ausdrücklich, Gott habe dem Menschen die Herrschaft über alle lebenden Wesen gegeben. Diese Herrschaft muss dennoch nicht unbedingt das Töten von Tieren zu Nahrungszwecken bedeutet haben.

1.3 Aristoteles

Besonders geschichtswirksam wurde die Position des Aristoteles. Dieser ist der Meinung, dass Tiere zum Zwecke des Menschen da seien. Er vertritt die Ansicht, dass die Natur eine Hierarchie sei, in der jene mit geringeren Verstandeskräften zum Nutzen derer mit größeren Verstandeskräften existierten: »Pflanzen existieren zum Wohl der Tiere und Tiere wiederum zum Wohl des Menschen – Haustiere zu seinem Nutzen und seiner Nahrung, wilde Tiere (oder doch die meisten von ihnen) zur Nahrung und anderen Hilfsmitteln des Lebens wie Kleidung und verschiedenen Werkzeugen«.

1.4 Plutarch

Ein überraschend kritischen Beitrag zum Fleischkonsum findet sich, für die damalige Zeit, beim griechischen Schriftsteller Plutarch: »Du fragst mich, was Pythagoras bewog, kein Fleisch zu essen. Ich aber frage dich, was für einen Mut der Mensch gehabt haben muss, der zuerst ein blutiges Stück Fleisch in den Mund steckte und mit seinen Zähnen die Knochen eines toten Tieres zermalmte, der tote Körper, Leichname auftragen und Glieder von Tieren in seinen Magen hinabgleiten ließ, die noch im Augenblick vorher blökten, brüllten, liefen und sehen konnten. Wie konnte seine Hand einem empfindenden Wesen ein Messer ins Herz stoßen, und wie konnten seine Augen einen Mord ertragen? Wie konnte er zusehen, wie man ein armes, wehrloses Wesen schlachtete, enthäutete und zerstückelte? Wie konnte er den Anblick des noch zuckenden Fleisches ertragen? ...«

2.0 Widersprüche in der Mensch-Tier-Beziehung

Die Widersprüche in der Mensch-Tier-Beziehung schienen zahlreicher zu sein als die verschiedenen Formen von Beziehungen, die wir zu Tieren haben. So unterscheiden wir zwischen Haus- und Hobbytieren, Nutztieren, Versuchstieren, Zootieren, Zirkustieren, Wildtieren, Pelztieren, Tieren in der Jagd, Tieren im tierquälerischen Brauchtum (Stierkampf, Rodeo usw.) und Tieren für die Therapie. Massive Widersprüche manifestieren sich in unterschiedlichen Einstellungen und Verhaltensweisen zu Tieren. Manche Tiere behandeln wir sehr, sehr gut, andere Tiere behandeln wir sehr, sehr schlecht. Zwischen diesen Tieren gibt es jedoch moralisch keinen relevanten Unterschied. Ein Beispiel dafür ist die gänzlich konträre Behandlung von Hunden und Schweinen in unserer Kultur. Schweine sind nicht weniger intelligent als Hunde.
Sie sind gesellige und saubere Tiere, wenn man sie zähmt, werden sie ebenfalls zu sogenannten liebenswerten Hausgenossen. Es gibt jedoch einen gesamtgesellschaftlichen Konsens, der in bezug auf Hunde und Schweine dahingehend formuliert wird: Zu Hunden soll man gut sein, sie sind unsere Haustiere, Schweine sind für die Fleischproduktion da.

3.0 Eine Frage der Erziehung

Zu Fleischessern werden wir in einem Alter erzogen, in dem wir noch gar nicht verstehen, dass das, was wir essen, tote Tiere sind. Fleisch essen ist daher psychologisch die wichtigste speziesistische Praktik. In bezug auf die Frage, ob wir Fleisch essen wollen bzw. sollen oder nicht, haben wir nie eine eigene freie Entscheidung aufgrund vollständiger Informationen getroffen. Wir sind dazu in frühester Kindheit erzogen worden, bevor wir sie bewußt ablehnen oder akzeptieren konnten. Zur gleichen Zeit sind kleinen Kindern von Natur aus tierliebend und werden in ihrer positiven emotionalen Einstellung zu Tieren durch die Haltung der Eltern verstärkt. Diese Tatsachen sind die Grundlage des deutlichsten Merkmals der Einstellung von Kindern gegenüber Tieren in unserer Gesellschaft – dass es nämlich nicht eine einheitlichen Einstellung zu Tieren gibt, sondern zwei miteinander in Konflikt stehende Einstellungen, die im gleichen Individuum nebeneinander bestehen, sorgfältig voneinander getrennt, so dass der zwischen ihnen bestehenden Widerspruch selten Schwierigkeiten verursacht.

4.0 Vegetarismus als Forderung des Gleichheitsprinzips

Fleischessen ist die wichtigste und folgenschwerste speziesistische Praktik aus folgenden Gründen: Fleischessen ist quantitativ enorm relevant (zahlenmäßig größte Ausbeutung von Tieren). Zum Fleischessen werden wir in der Kindheit erzogen. Deshalb ist es die biographisch früheste Form der speziesistischen Ausbeutung. Psychologisch schwerwiegend ist in diesem Zusammenhang die Tatsache, dass wir zum Fleischkonsum zu einem Zeitpunkt erzogen werden, zu dem wir noch keine bewußte und freie Entscheidung treffen können.

Fleischessen ist psychologisch gesehen die wichtigste Grundlage für alle weiteren Formen der Ausbeutung von Tieren. Denn, wenn wir verinnerlicht haben, leidensfähige Wesen ohne Notwendigkeit – allein unserer Geschmacksvorlieben wegen – zu quälen und zu töten, sind wir leicht zu anderen Formen der Ausbeutung bereit.

Karin Eckelhart, Hana Kuruczova und Barbara Lotterstätter (April 2003, 2AL)

P.S.: Hier gehts zu näheren Informationen über vegane Lebensweise.