› Franz Jägerstätter - Opfer des NS-Regimes

1.0 Herkunft und persönliches Profil

Franz wurde am 20. Mai 1907 als uneheliches Kind von Rosalia Hüber in St. Radegund (OÖ.) geboren und am 21. Mai getauft. Weiters finden sich im Taufbuch die Eintragungen: »Der Geschlechtsname hat ›Jägerstätter‹ zu lauten.« (1917) sowie: »Franz Jägerstätter starb am 9.8.1943 in Brandenburg den Märtyrertod«.

Franz wächst zunächst in armen Verhältnissen bei der Großmutter auf. Mit der Hochzeit der Mutter am 19. Februar 1917 verbessert sich die soziale Situation entscheidend: Rosalia Huber heiratete Heinrich Jägerstätter, den angehenden Besitzer des Lehrerbauernhofes in St. Radegund, Hadermarkt 7, der dem Kind auch seinen Namen gab; Franz wurde Hoferbe. 1918 nimmt die Mutter auch eine zweijährige Nichte, Aloisia, als Ziehtochter auf.

Der junge Franz ist vielseitig interessiert, er liest sehr gern, lernt u.a. Zither spielen und die Kurzschrift, auch wirkt er bei den damals viel besuchten St. Radegunder Passionsspielen mit.
Als Zwanzigjähriger findet Franz Jägerstätter vorübergehend Arbeit im bayerischen Teising von Oktober 1927 bis Jänner 1931 arbeitet er im steirischen Erzabbau in Eisenerz. Erstmals lebt er in einem kirchenfeindlichen Milieu, bleibt aber auch in Kontakt mit seinem Pfarrer Matthias Lehner in St. Radegund. Der materialistischen Lebensauffassung kann er auf Dauer nichts abgewinnen, wie er in einem von ihm verfassten Gedicht vom 3. Oktober 1932 deutlich macht: Demnach seien für ihn Liebe und Glück nur mit Gottesglaube von Dauer. Vom Verdienst in Eisenerz hat sich Franz ein Motorrad gekauft; er ist damit der erste Motorradbesitzer im Dorf.
Am 8. Mai 1933 stirbt Stiefvater Heinrich Jägerstätter erst 49jährig an Tuberkulose. Drei Jahre später sollte auch dessen geliebte Ziehtochter Aloisia Sommerauer an derselben Krankheit sterben.

Am 1. August 1933 wird Hildegard Auer, eine uneheliche Tochter von Franz Jägerstätter, geboren. Jägerstätter kümmert sich um das Mädchen; das Kind wird sich später vor allem an die häufigen Besuche des Vaters mit dem Motorrad erinnern.
Pfarrer Josef Karobath beschreibt Franz Jägerstätter nach dem Krieg in der Pfarrchronik St. Radegund: »In seiner Jugend war er, wie alle anderen Burschen, etwas rauflustig und auch leichtsinnig. 1934 wurde er ernst. Damals hatte er vor, in ein Kloster als Laienbruder zu gehen. Ich habe ihm abgeraten.«

2.0 Ehe mit Franziska Schwaninger

Franziska Schwaninger, geboren am 4. März 1913 in Hochburg, stammt aus einer tiefreligiösen Familie. Sie arbeitete seit 1934 in einem Gasthof als Magd, als sie 1935 Franz kennerlernte. Die beiden haben keine lange Verlobungszeit, auf dem Lehrerbauernhof wurde dringend eine Bäuerin gebraucht. Für die Hochzeit wählte das Brautpaar eine ungewöhnliche Zeit, Gründonnerstag, 9. April 1936, 6.30 Uhr früh. Unmittelbar danach brechen sie mit einer Gruppe zu einer Pilgerfahrt nach Rom auf.

Nach Angaben von Franziska war sie zu Beginn des gemeinsamen Lebens die glaubensmäßig Aktivere. Sie ging häufig zur heiligen Kommunion und feierte die Herz-Jesu-Freitage. Den Mann interessierte ihre Haltung und er machte z.B. beim öfteren Kommunion-Empfang mit. Eine zunehmend intensive Religiosität verbindet Franz auch mit seinem Schwiegervater Lorenz Schwaninger.

Am 1. September 1937 bringt Franziska ihre erste Tochter, Rosalia, zur Welt; Maria und Aloisia werden am 4. September 1938 bzw. am 5. Mai 1940 geboren.

3.0 Politischer Umbruch und Einberufung zum Wehrdienst

Aufgrund seiner religiösen Grundeinstellung interessierte sich Jägerstätter für die politischen Ereignisse der 30-Jahre, besonders auch für die Entwicklung des Verhältnisses zwischen Kirche und Nationalsozialismus im benachbarten Deutschland.

Die Übernahme der Macht in Deutschland durch die Nationalsozialisten 1933 wirkte sich auch unmittelbar auf den österreichischen Grenzort St.Radegund aus. Die Pfarrchronik vermerkt dazu: »Seit diesem Tage wurde Österreich und was damit zusammenhängt, also auch unser (Passions)Spiel, von reichsdeutscher Seite boykottiert ... Seit 1. Juni dieses Jahres wurde die deutsche Grenze gegen Österreich vollkommen gesperrt.« St. Radegund war seit Beginn des Jahrhunderts Passionsspielort, die tausenden Besucher pro Saison waren fast ausschließlich über die deutsche Grenze gekommen.

Der Hirtenbrief des Linzer Bischofs Johannes M. Gföllner von 1933, der die Unvereinbarkeit, zugleich guter Katholik und wirklicher Nationalsozialist zu sein, konstatierte, wurde Jägerstätter zur Richtschnur. In einem von ihm so benannten »Traum« im Jänner 1938 wird ihm dies ebenso deutlich. An der für den 10. April festgesetzten Volksabstimmung über den »Anschluss« wollte er ursprünglich nicht teilnehmen, stimmt dann aber mit »Nein«.

Am 17. Juni 1940 wird Franz Jägerstätter zum ersten Mal zum aktiven Wehrdienst nach Braunau eingezogen und auch auf Hitler vereidigt, aber nach wenigen Tagen auf Initiative der Gemeinde »unabkömmlich« gestellt. Seine Frau Franziska hatte kurz nach der Geburt des dritten Kindes dringend Hilfe nötig. Anfang Oktober 1940 wird Jägerstätter nach Enns in die Alpenjägerkaserne als Kraftfahrer einberufen; auch diesmal bemüht er sich nicht selbst um Rückstellung. Die Grundausbildung (Infanterie- u. Kraftfahrerausbildung) möchte Franz möglichst schnell hinter sich bringen, er hofft diese nach zwei bis drei Monaten beenden zu können und dann nach Hause zu dürfen. Aber am 9. Dezember 1940 wird Franz Jägerstätter mit seiner Truppe aus Enns verlegt. Noch am Tag zuvor lassen sich er und der Soldat Rudolf Mayer in feierlicher Form in den Dritten Orden des heiligen Franziskus aufnehmen. Ein Jahr später legt Jägerstätter in seiner Heimatpfarre die Profess ab. Seine Frau Franziska wurde in der Folge ebenfalls Mitglied dieser Franziskanischen Laiengemeinschaft.
Erst Anfang April 1941 konnte Jägerstätter mit Hilfe der Gemeinde abrüsten und blieb fast zwei Jahre von einer weiteren Einberufung verschont.

4.0 Das Reifen der persönlichen Gewissensentscheidung

Franz Jägerstätter war keineswegs ein absoluter Wehrdienstverweigerer aus religiösen Gründen wie z.B. die Zeugen Jehovas; er war vielmehr aufgrund der von der Kirche übernommenen Lehre, dass Katholiken unter bestimmten Voraussetzungen prinzipiell zum Wehrdienst verpflichtet sind, zunächst seinem Einberufungsbefehl gefolgt.

Nach dem Zeugnis seiner Frau kam Franz Jägerstätter im April 1941 vom Militärdienst zurück mit dem festen Entschluss, kein weiteres Mal einzurücken. Ihm wird klar, dass er sich durch die Teilnahme an einer ungerechten Kriegsführung des »Dritten Reiches« versündigen würde. In der Folge setzt er sich auch schriftlich mit den Gründen für diese Entscheidung auseinander.

Franz Jägerstätter stellt sich immer wieder die Frage nach den Ursachen all des Unrechts und Leidens: »Aber seit es Menschen auf dieser Welt gibt, lehrt uns die Erfahrung, dass Gott den Menschen den freien Willen lässt und nur selten in die Schicksale der Menschen und Völker auffallend eingegriffen hatte und so wird es auch für die Zukunft kaum viel anders werden, außer am Ende der Welt.«

Um so deutlicher stellt sich ihm die Frage der Mitverantwortung: »Fragen wir uns einmal, sind denn Österreich und Bayern schuldlos, dass wir statt einer christlichen Regierung jetzt eine nationalsozialistische haben? Ist denn bei uns des Nationalsozialismus ganz einfach vom Himmel gefallen? Ich glaube darüber brauchen wir nicht viel Worte verlieren, denn wer im letzten Jahrzehnt nicht geschlafen hat, der weiß es ohnehin gut genug, wie und weshalb das alles so gekommen ist.«

»Soll es in unserem schönen Österreich noch einmal so weit kommen, dass Christus regieren wird, so muss auf den Gründonnerstag auch noch der Karfreitag komme, denn Christus musste auch erst sterben, bis er von den Toten auferstehen konnte. Auch für uns gibt es kein glückliches Auferstehen, bis wir nicht bereit sind, für Christus und unseren Glauben zu leiden und wenn es sein muss auch zu sterben. Der Gründonnerstag war halt für uns Österreicher der unglückselige 10. April 1938. Dort ließ sich die Kirche Österreichs gefangen nehmen und liegt seitdem noch immer in Fesseln und bevor nicht dieses »Ja«, das eben damals von vielen Katholiken doch sehr zaghaft und beängstigt abgegeben wurde, nicht mit einem kräftigen »Nein« beantwortet wird, gibt es auch für uns keinen Karfreitag; Sterben müssen wir zwar deshalb schon, aber nicht für Christus, viele vielleicht zwecks Mithilfe zum nationalen Sieg.«

Die Dorfgemeinschaft in St. Radegund, die sich mit dem neuen Regime arrangierte, versucht immer wieder, auch Franz Jägerstätter auf die angepasste Linie zu bringen. Trotzdem verweigert er von Anfang an jede Zusammenarbeit mit den Nationalsozialisten: Er weigert sich, für die Partei zu spenden oder Geld vom Staat wie die Kinderbeihilfe anzunehmen; persönlich aber unterstützt er notleidende Menschen in seiner nächsten Umgebung kräftig; ebenso stellt er sich für die Pfarre für das Kassieren der neu eingeführten Kirchensteuer zur Verfügung.

Nach der Rückkehr vom Militärdienst im April 1941 besucht Franz Jägerstätter täglich die hl. Messe in seiner Pfarrkirche. Im Sommer 1941 übernimmt er das Amt des Mesners, trotz der Befürchtungen seines Freundes Pfarrer Karobath, das kirchliche Engagement könnte seine erneute Einberufung beschleunigen. Im Frühling 1942 finden sich in den Briefen seines Ordensbruders Rudolf Mayer erste deutliche Hinweise auf die sich verfestigende Haltung Jägerstätters, nicht in einen Krieg ziehen zu wollen:

»Deinen Brief werd ich noch öfter lesen ... Wohl kannst Du schlimm dran sein, Du sollst noch lang leben und viel Gutes tun, ... . Recht hast Du ja. Ich trug einmal Deinen Wunsch, weiß nicht, ob die nötige Kraft vorhanden wäre, ich find mich noch nicht ab mit der Vollendung, für dich ist’s vielleicht so gut. Größere Liebe hat niemand, als wer sein Leben gibt, und die größte Heiligkeit ist die vollendete Liebe, mehr konnte selbst Christus nicht als sterben für uns.« (12. Mai 1942)

Anlässlich eines Heimaturlaubes von Rudolf Mayer im September 1942 besuchen die Ehepaare Mayer und Jägerstätter einander. Nach Mitteilung von Franziska überlegten die beiden Männer, sich durch Verstecken dem Militärdienst zu entziehen. Wegen der Gefährdungen, die für die Familien daraus erwachsen wären, ließen sie diesen Plan jedoch fallen.
In mehreren Heften und auf losen Blättern schrieb Franz Jägerstätter 1941 bis 1943 seine Überlegungen hinsichtlich seiner politischen und religiösen Verantwortung nieder. Sie dürften ihm geholfen haben, die einzelnen Sachbereiche abzuklären und sollten sein Vorhaben auch vor der Familie begründen. Während dieser Zeit verfasste er auch einen Katechismus zu Glaubensfragen, da er fürchtete, seine Kinder würde keinen Religionsunterricht mehr erhalten.

Unter dem Titel »gerechter oder ungerechter Krieg?« Setzte sich Franz Jägerstätter am 24. Mai 1942 mit diesen grundlegenden Fragen auseinander:
»Ist denn das heutzutage schon egal, ob man einen gerechten oder ungerechten Krieg führt? Hätte ich nie soviel an katholischen Büchern und Zeitschriften gelesen, so wäre ich vielleicht auch heute andrer Gesinnung. Wie konnte man früher so viele Christen heilig sprechen, die ihr Leben so leicht aufs Spiel gesetzt, natürlich ihres Glaubens wegen, die meisten von denen hätten keine so schrecklichen Befehle ausführen brauchen, als jetzt von uns verlangt wird. Gibt es denn noch viel Schlechteres, als wenn ich Menschen morden und berauben muss, die ihr Vaterland verteidigen, nur um eine antireligiösen Macht zum Siege zu verhelfen, damit sie ein gottgläubiges oder besser gesagt ein gottloses Weltreich gründen können. Heute ist immer nur von den schlechten Russen die Rede, die andren Länder kommen wahrscheinlich gar nicht mehr in Frage, denen man es genauso gemacht und vielleicht noch machen wird?«

Die Propaganda vom angeblichen Kreuzzug gegen den Bolschewismus lässt Jägerstätter nicht gelten. Unter dem Titel »Lässt sich noch etwas machen?« zieht Franz Jägerstätter Schlussfolgerungen aus seinen Überlegungen:
»Man kann heute gar häufig hören, da kann man nichts mehr machen, würde einer was sagen, es würde einem nur Kerker und Tod bringen, freilich kann an dem ganzen Weltgeschehen nicht mehr viel geändert werden. Ich glaube, da hätte schon hundert oder noch mehr Jahre früher begonnen werden müssen. Aber sich selbst zu retten, und vielleicht noch einige Seelen für Christus zu erobern, glaub ich, ist es für uns Menschen nie zu spät, solange wir auf dieser Welt leben ... «
Die Entscheidung Franz Jägerstätters einer weiteren Einberufung nicht mehr Folge zu leisten, führte zu Auseinandersetzungen im Familienkreis, vor allem mit der Mutter. Er besprach sein Vorhaben auch mit seinen Priester-Freunden. Pfarrer Josef Karobath erinnert sich: »Wir haben uns im bayerischen Tittmoning getroffen. Ich wollte ihm das ausreden; doch er hat mich immer wieder geschlagen mit der Schrift.«

Franz Jägerstätter sucht auch Rat bei Bischof Fließer. Doch auch dieser kann seine Bedenken gegen eine aktive Teilnahme am Krieg als Soldat nicht ausräumen. Franz hatte den Eindruck, dass der Bischof nicht wagte, offen zu sprechen, weil er ihn nicht kannte; er hätte ja auch ein Spion sein können.
Bischof Fließer erinnert sich später an dieses Gespräch mit Jägerstätter: »Ich habe ihm umsonst die Grundsätze der Moral über den Grad der Verantwortlichkeit des Bürgers und Privatmannes für die Taten der Obrigkeit auseinandergesetzt und ihn an seine viel höhere Verantwortung für seinen privaten Lebenskreis, besonders für seine Familie erinnert.«
Die vielen Kriegstoten in der Nachbarschaft machen aber auch deutlich, dass das Leben eines Soldaten im Kriegswinter 1942/43 nicht allzu sicher war. Wenn schon der Kopf riskiert werden muss, so wenigstens für etwas, das den Einsatz wert ist: Dazu Jägerstätter in einem seiner Briefe: »Ich glaube, der Herrgott macht es uns jetzt doch ohnehin nicht so schwer, das Leben für unsern Glauben einzusetzen, denn wenn man bedenkt, dass in diesen schweren Kriegszeiten schon Tausende von jungen Menschen aufgefordert wurden ihr Leben für den Nationalsozialismus einzusetzen, und wie viele mussten in diesem Kampfe schon ihr blutjunges Leben opfern, damit andre in der Heimat von den geraubten Sachen ihr Leben noch eine Zeit verlängern können«

Pfarrer Karobath beschreibt unmittelbar nach Kriegsende die Entscheidungsphase im Leben Jägerstätters: »Die Lage fürs Hitlerreich wird kritisch und die Gefahr, dass er einrücken muss, wächst ... Er übt Buße, er fastet, er verdoppelt sein Beten.« (Pfarrchronik II, 48). Besonders wichtig ist ihm der Empfang der heiligen Kommunion.

Die beiden Jahre zwischen Unabkömmlich-Stellung und Einberufung lebten Franz und Franziska in der täglichen Sorge, die Briefträgerin könnte den Einberufungsbefehl bringen. Als er dann im Februar 1943 die entsprechende Empfangsbestätigung unterschrieb, bemerkt er: »Jetzt habe ich mein Todesurteil unterschrieben.« Die Auseinandersetzungen innerhalb der Familie spitzen sich zu. Mutter Rosalia Jägerstätter mobilisiert in ihrer Angst um den Sohn Verwandte und Nachbarn. Franziska schildert diese Zeit: »Am Anfang hab ich ihn sehr gebeten, sein Leben nicht auf's Spiel zu setzen, aber dann, wie alle mit ihm gestritten und geschimpft haben - die Verwandten sind gekommen -, hab ich es nicht mehr getan«. Mutter Rosalia besprach das Vorhaben ihres Sohnes auch mit dem damaligen Bürgermeister. Er bot daraufhin an, für Franz Jägerstätter ein Ansuchen an die Militärbehörde bezüglich eines Dienstes ohne Waffen zu richten. Franz dürfte auf das Angebot zu diesem Zeitpunkt nicht eingegangen sein.

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