4.0 Die Entwicklung vom Ketzer- zum Hexenprozess

4.1 Der Hexenhammer (Malleus Malleficarum)

Der »Malleus Maleficarum«, zu Deutsch »Hexenhammer«, stellt eine Art Hexendogmatik dar und wurde von den beiden Inquisitoren Sprengler und Institoris verfasst. Da dieses Werk jedoch auf heftigen Widerstand stieß, erließ Papst Innozenz VII im Jahre 1484 die Bulle »summis desiderantes affectibus«, durch die einerseits der Zauberglaube zu einem rechtlichen Begriff werden und andererseits der Hexerei Einhalt geboten werden sollte.
Innozenz erläuterte in dieser Bulle, dass er von Hexen beiderlei Geschlechts hörte, die vom richtigen Glauben abfallen, mit dem Teufel buhlen, Schaden anrichten, Lebewesen mit Krankheit beschlagen, die Fruchtbarkeit hemmen und andere zu Missetaten anregen würde. Am Schluss seiner Schrift erlaubte er den Verfassern des »Hexenhammers«, solche Menschen nach ihren Verbrechen zu züchtigen, in Haft zu bringen und »an Leib und Vermögen zu strafen«.

4.1.1 Eine Zusammenfassung bisheriger Hexenlehren

Der vor allem als Reaktion gegen die Schwierigkeiten in Brixen entstandene »Hexenhammer« stellte die umfassendste Darlegung des Hexenwesens dar. Ihr erster Prozess 1485 hatte sogar zur Folge, dass die Autoren vom Tiroler Landesfürsten Golser aus dem Lande verwiesen wurden. Trotzdem war der »Malleus Maleficarum« das meistgedruckte Werk der Neuzeit. Die Verfasser lehnten sich bei der Schreibung sehr an vorhergegangene Werke an, und interpretieren auch Stellen im Alten und Neuen Testament, die sich auf den Teufel und Zauberei beziehen. So gesehen war der Hexenhammer nichts Neues, sondern eine Zusammenfassung der bisher existierenden Hexenliteratur.
Als Vorlage des Hexenhammers diente vor allem der »Directorium Inquisitorum«, der alle Zaubereien, die als Hexereien galten, beinhaltete. Dieses Werk wurde in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts von dem Generalinquisitor Nikolaus Eymericus geschrieben und wurde zu einem für die Inquisitoren sehr geeigneten Handbuch der Ketzerverfolgungen.

4.1.2 Neue Gesichtspunkte im »Hexenhammer«

Nur in drei Punkten wiesen Sprengler und Institoris eine eigene Auffassung auf:
1. Der Schadenzauber oder Malefizium stand im Mittelpunkt ihres Werkes
2. Sie betrachteten besonders das weibliche Geschlecht als gefährdet
3. Sie versuchten den weltlichen Gerichten die Durchführung der Hexenprozesse aufzuerlegen

4.1.3 Inhaltliche Gliederung des Malleus Maleficarum

Der erste und zweite Teil behandelt die Theorie des Hexenwesens. Damit sind die verschiedensten Schandtaten der Hexen, aber auch die Praktiken zum Schutz vor diesen gemeint.
Der dritte und letzte Teil stellt den wichtigsten Abschnitt für die Entwicklung des Hexenprozesses dar. Er enthält eine Art Prozessanordnung, die dem Richter genaue Hinweise gibt, wie er zum Erfolg kommen kann.

4.1.4 Anweisungen zu Folter und Fangfragen

Der Malleus gibt Anweisungen zur Folter und die Interrogatorien zur Befragung der Hexen. Die Richter wurde so die Kunst der Fangfragen, mit denen es jedem möglich war, einen Schuldigen zu finden, gelehrt. Ebenso gibt der Hexenhammer fertige Urteilsverkündungen vor, die es dem Richter erleichtern, einen Grund für sein Handeln anzugeben.
Auf diese Weise wurde der Malleus Maleficarum zu einer richtigen »Bibel für Hexenrichter«.

4.1.5 Marienverehrer und Frauenhasser?

Im Hexenhammer tritt auch, wie in den Büchern »Formaricus« von Johann Nieder und der Ketzerfibel von Nicolaus Jacquier, der Frauenhass offen zu Tage. Im gleichen Maße wie die Schriftsteller solcher Werke fanatische Marienverehrer waren, waren sie auch Frauenverächter.

4.1.6 Der Hexenhammer als frauenfeindliches Werk

Sie begründeten die angeblich stärkere Neigung des weiblichen Geschlechts zur Hexerei und zum Teufelskult mit dem angeborenen »Interesse der Frau an sexuellen Ausschweifungen«, sowie mit den Worten: »Das Weib ist von Natur aus schlecht.« Damit untergrabe sie die Basis der Kirche und müsse deshalb an ihrem Tun gehindert werden. Die Frau stellte somit eine Personifizierung der Schuld an Impotenz, Krankheiten, Seuchen und Unwetter dar. Der Hexenhammer machte die neue Sekte zu einem teuflischen »Geschlecht boshafter, glaubensschwacher und geiler Weiber«. Es begann eine systematische Hexenverfolgung, die in den Jahren 1560 bis 1640 ihren Höhepunkt erlebte. Obwohl vereinzelt Kritik geübt wurde, fanden der Malleus Maleficarum und andere ähnliche Werke durch die Glaubenskämpfe und wirtschaftliche Krisen mehr Anklang, als zu erwarten gewesen wäre.

4.2 Anklage und Verfahren im Hexenprozess

4.2.1 Wodurch »qualifiziert« man sich als Hexe?

Oft wurde eine Anklage einfach aus Neid, Hass, Willkür oder wegen Umweltkatastrophen erhoben. Folgende Merkmale und Verhaltensweisen wurden zu den Indizien gezählt:
1. Mangelnder sowie häufiger Kirchenbesuch
2. Sicheres Auftreten gleichsam als augenfällige Verteidigung
3. Aufenthalt auf einem Feld vor einem Unwetter
4. Kräutersuche
5. Verwandtschaft oder Freundschaft mit einer bereits verurteilten Hexe
6. Heimatlosigkeit
7. Schlechter Ruf (wenn Kinder oft krank sind, wenn man Stimmungsschwankungen hat)
8. »Hexenhaftes« Aussehen
9. Hohes Alter
10. Hexenmale: Unempfindliche Körperstelle (Stigma diabolicum) als Zeichen der Teufelsverbundenheit
11. Tränenlosigkeit
12. Geringes Körpergewicht: Dies führte zu der Vorstellung, dass Hexen im Wasser nicht untergehen können

4.2.2 Dubiose Argumente, erzwungene Geständnisse

Die drei zuletzt angeführten Hexenmerkmale bildeten die eigentlichen Indizien bei einem Hexenprozess. Wenn man all diese Punkte betrachtet, sieht man, dass eigentlich alles ein Grund für eine Anklage sein könnte (z.B. Punkt 1).
Im politischen Bereich wurden Hexenverfolgungen als Disziplinierungsmittel angewandt, was das Anwachsen der Verfolgungen zu Beginn des Absolutismus zeigt.
Obwohl die Richter den Angeklagten falsche Versprechungen machten (Freispruch, kein Todesurteil...), mussten sie das Geständnis meist durch Folter erpressen, da den Delinquenten allseits bekannt war, dass es sich hierbei nur um eine leichtere Art handelte, um zu einem »guten« Geständnis zu kommen. Später wurden diese erzwungenen Geständnisse meist durch Suggestivfragen vereinheitlicht.

4.3 Hexenproben

4.3.1 Die Nadelprobe

Um das Hexenmal, das die Besiegelung des Paktes mit dem Teufel darstellte, zu finden, wendete man die sogenannte Nadelprobe an. Es wurde dabei nach einer Hautstelle gesucht, die sich von der übrigen Haut abhob und wo, trotz des Stiches, kein Blut zum Vorschein kam. Wurde diese Stelle gefunden, war die Angeklagte hilflos verloren. Diese zur Belustigung des Volkes beitragende Hexenprobe verlief immer zum Nachteil der Frau, da jeder Mensch irgendwo eine solche Stelle aufweist, oder weil das Verfahren manipuliert wurde.

4.3.2 Die Wasserprobe

Auch die Wasserprobe war zu dieser Zeit , obwohl sie als Gottesurteil seit 1215 verboten war, sehr verbreitet. Man glaubte, dass Hexen ein minimales Körpergewicht hatten, da sie ja durch die Luft fliegen konnten. Daraus entwickelte man die Theorie, dass Hexen wegen ihrer Leichtigkeit im Wasser nicht untergingen. An einen Baumstamm gebunden hatten auch sie wenige Überlebenschancen, da der Tod durch Ertrinken sehr wahrscheinlich war.

4.3.3 Die Wiegeprobe

Ein ähnliches Verfahren war die Wiegenprobe. Die Angeklagte wurde auf einer Waage gewogen, und wenn sie nicht so schwer war, wie sie geschätzt wurde, war sie überführt. Um dieser Strafe entgehen zu können, gab es in Holland die Waage von Qudewater, bei der man eine Bescheinigung seines Körpergewichts erstehen konnte. Diese Probe wurde 1773 zum letzten Mal angewandt. Auch auf die Tränenprobe wurde vereinzelt zurückgegriffen. Die Angeklagte musste hierbei auf Befehl Tränen vergießen, da man glaubte, dass der Teufel den Hexen die Unfähigkeit zu weinen gegeben hatte.

4.3.4 Die Feuerprobe

Eine weitere Einrichtung zur Feststellung der Schuld war die Feuerprobe, bei der man ein Stück heißes Eisen einige Schritte weit tragen musste. Gelang dieses, so war die Unschuld klar und bewiesen. Jedoch wurde diese Probe nur selten angewandt, da man die Unschuld nur allzu leicht erbringen konnte. Weiteres wäre da noch der Kesselfang zu erwähnen. Hierbei musste die Beschuldigte vom Boden eines mit siedendem Wasser gefüllten Kessels einen Eisenring holen, ohne sich zu verletzen.
Man konnte durch diese Verfahren Personen leicht überführen, und so viele Unschuldige auf den Scheiterhaufen bringen. Solche Proben wurden bis ins 19. Jahrhundert durchgeführt und waren wesentlicher Teil der damaligen Rechtspflege. Zu diesen Verfahren kamen auch noch die verschiedensten Arten der Folter, die im nächsten Kapitel erklärt und veranschaulicht werden.

4.4 Brutalität des Vorgehens

4.4.1 Folter und Willkür

Als Vorläufer der Folter kann das Gottesurteil angesehen werden, das vor allem bei Inquisitionsprozessen im 13. Jahrhundert verwendet wurde. Die Methoden der Inquisitoren waren nichts anderes als eine »legalisierte Triebentleerung«. Wenn das zur Verurteilung notwendige Geständnis erbracht war, versuchte man von der Beschuldigten den Namen der Komplizen zu erfahren. Man glaubte nämlich, dass eine Hexe nie allein zum Sabbat gehe.
Die Beschuldigten im Ketzer- und Hexenprozess waren ganz der Willkür der Richter ausgesetzt. Diese wiederum sahen sich als gegen den Unglauben kämpfende Retter der gesamten abendländischen Christenheit.

4.4.2 Grausamkeit mit System

Die Folter begann schon im Gefängnis, wo der bzw. die Gefangene in den Stock gelegt wurde. Solcherart eingeklemmt, konnte man sich nicht rühren und war Ratten und anderem Ungeziefer wehrlos ausgesetzt.
Bei der weiteren Folter wurden Daumenschrauben angelegt, Körperteile verbrannt, Fußsohlen versengt, Glieder ausgerenkt, Unmengen von Wasser mittels eines Trichters eingeflößt und salzige Speisen ohne Wasser verabreicht. Auch durch Schlaflosigkeit wurde das gewünschte Ziel erreicht. Ein schreckliches Instrument war die Wippe, bei der man an einem Seil, das an den Händen und Füßen festgemacht war, auf- und niedergezogen wurde. Meistens wurde dabei das Eigengewicht durch angehängte Felsbrocken vergrößert. Die spanischen Stiefel waren ebenfalls sehr qualvoll, da diese die Beine zerquetschten.
Bei der harten Folterung wurde dann der Bock verwendet. Bei diesem handelt es sich um einen zu einer spitzen Schneide zulaufenden Holzbock, auf den man rittlings gesetzt wurde. Durch sein Eigengewicht schnitt sich die Schneide nun in die entblößten Körperteile.
Wenn die Angeklagte bei der Folter ohnmächtig wurde oder starb, sagte man stets, dass ihr der Teufel geholfen habe, so den Schmerzen zu entkommen. Wenn sie aber im Gefängnis schwanger wurde, so galt dies als Beweis für die Teufelsbuhlschaft.

4.4.3 Ende des Grauens

Die Folter hatte so ihren ursprünglichen Charakter als Mittel der Reinigung vollkommen verloren. Die letzte Station war der Tod durch Verbrennen, der schon im Sachsenspiegel als würdige Strafe für Zauberei galt. Meistens wurde den Opfern eine letzte Gnade gewährt. Sie wurden vor der Verbrennung enthauptet oder erdrosselt. Erst im 18. Jahrhundert wurde dem Hexenwahn durch die Abschaffung der Folter, bei der vor allem Thomasius wirksam war, ein Ende bereitet.

4.5 Warum wurden Hexen verbrannt? - Überlegungen zum psychologischen Hintergrund

Das Feindbild »Hexe« lieferte für die Bevölkerung ein Ventil um ihre Spannungen auszugleichen. Es stillte die verschiedensten Bedürfnisse, die sich aus gesellschaftlichen Missständen, Naturkatastrophen und Epidemien ergaben und ermöglichte das Ausleben zurückgedrängter sexueller und sadistischer Begierden.
Auch die Buchdruckerkunst half bei der Verbreitung des Hexenwahns durch die Verbreitung von Flugblättern und Broschüren. Sogar mittels »Hexenzeitungen« wurde die Sensationsgier der Menschen gestillt.
Hexen wurden verbrannt; also musste es Hexerei geben, denn sonst hätte sich die Gesellschaft tausender sinnloser Morde schuldig gemacht. Hexen wurden daher weiter verbrannt, denn nur so konnte das Aufkommen von Schuldgefühlen verhindert werden.

« page 1 2 3 »