5.0 Zwischen Einberufung und Hinrichtung
Die definitive Einberufung zur Wehrmacht erhält Franz Jägerstätter
am 23. Februar 1943, bereits am 25. Februar sollte er in der Ennser
Kaserne sein. Nach Erhalt der Einberufung schreibt er dem priesterlichen
Freund Josef Karobath:
»Muss Ihnen mitteilen, dass Sie vielleicht bald wieder eines
Ihrer Pfarrkinder verlieren werden. Habe heute den Einberufungsbefehl
bekommen und sollte schon am 25. d. M. in Enns sein. Da mir eben niemand
Dispens geben kann über das, was ich mir bei diesem Verein am
Seelenheile Gefahr zuziehen würde, so kann ich halt meinen Entschluss,
wie Sie ja wissen, nicht ändern ... « ( 23. Februar 1943).
In der Begründung des Urteils des Reichskriegsgerichts gegen
Franz Jägerstätter vom 6. Juli 1943 heißt es: »Im
Februar 1943 wurde der Angeklagte durch schriftlichen Befehl für
den 25. Februar 1943 zum aktiven Wehrdienst erneut zur Kraftfahr-Ersatzabteilung
17 nach Enns einberufen. Er leistete der Einberufung zunächst
keine Folge, weil er den Nationalsozialismus ablehnt und deshalb keinen
Wehrdienst leisten will. Auf Drängen seiner Familienangehörigen
und auf das Zureden seines Ortspfarrers meldete er sich schließlich
am 1. März 1943 bei der Stammkompanie Kraftfahr-Ersatzabteilung
17 in Enns, erklärte aber sofort, dass er auf Grund seiner religiösen
Einstellung den Wehrdienst mit der Waffe ablehne. Bei seiner Vernehmung
durch den Gerichtsoffizier blieb er trotz eingehender Belehrung und
Hinweises auf die Folgen seines Verhaltens bei seiner ablehnenden
Haltung...«
Franz Jägerstätter war am 27. Februar von zuhause abgefahren,
erst am 1. März hatte er sich, wie erwähnt, in der Kaserne
Enns gemeldet; am 2. März spricht er die Verweigerung, Kriegsdienst
zu leisten, aus; noch am selben Tag wird Jägerstätter von
Enns nach Linz ins Wehrmachtsuntersuchungsgefängnis gebracht.
Am 14. März erhält Franziska Jägerstätter einen
Brief ihres Mannes, in welchem es u.a. heißt: »Teile Dir
auch mit, dass ich mich zur Sanität bereit erkläre, denn
hier kann man ja eigentlich doch Gutes tun und die christliche Nächstenliebe
im praktischen Sinne ausüben, wozu sich auch mein Gewissen nicht
mehr sträubt. Strafe werde ich deswegen schon erhalten.«
Für Franz Jägerstätter überraschend wird er am
4. Mai in das Wehrmachtsuntersuchungsgefängnis Berlin-Tegel überstellt,
seine Frau Franziska konnte ihn in Linz nicht mehr besuchen.
Vom Reichskriegsgericht in Berlin wird »der Kraftfahrer Franz
Jägerstätter wegen Zersetzung der Wehrkraft am 6. Juli 1943
zum Tode sowie zum Verlust der Wehrwürdigkeit und der bürgerlichen
Ehrenrechte verurteilt.«
Im »Feldurteil« heißt es u.a:
»Er erklärte, dass er gegen sein religiöses Gewissen
handeln würde, wenn er für den nationalsozialistischen Staat
kämpfen würde. Diese ablehnende Haltung nahm er auch bei
seiner Vernehmung durch den Untersuchungsführer des Gerichts
der Division Nr. 487 in Linz und durch den Vertreter der Reichskriegsanwaltschaft
ein. Er erklärte sich jedoch bereit, als Sanitätssoldat
aus christlicher Nächstenliebe Dienst zu tun. In der Hauptverhandlung
wiederholte er seine Erklärungen und fügte hinzu: Er sei
erst im Laufe des letzten Jahres zu der Überzeugung gelangt,
dass er als gläubiger Katholik keinen Wehrdienst leisten dürfe;
er könne nicht gleichzeitig Nationalsozialist und Katholik sein;
das sei unmöglich. Wenn er den früheren Einberufungsbefehlen
Folge geleistet habe, so habe er es getan, weil er es damals für
Sünde angesehen habe, den Befehlen des Staates nicht zu gehorchen;
jetzt habe Gott ihm den Gedanken gegeben, dass es keine Sünde
sei, den Dienst mit der Waffe zu verweigern; es gebe Dinge, wo man
Gott mehr gehorchen müsse als den Menschen; auf Grund des Gebotes
›Du sollst Deinen Nächsten lieben wie Dich selbst‹
dürfe er nicht mit der Waffe kämpfen. Er sei jedoch bereit,
als Sanitätssoldat Dienst zu leisten. Diese Feststellungen beruhen
auf den eigenen glaubhaften Angaben des Angeklagten, der im vollen
Umfange geständig ist, sowie auf dem gemäss 360 KStVO. verwerteten
Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens.«
Und das Gerichtsprotokoll stellt fest:
»Als deutscher Staatsangehöriger ist der Angeklagte, der
sich im wehrdienstfähigen Alter befindet, wehrpflichtig. Mit
dem Tage seiner Einberufung ist er Soldat geworden. Dadurch, dass
er der Einberufung nicht sofort sondern erst nach einer Woche nachkam
und dass er es auch danach ablehnte, den geforderten Dienst mit der
Waffe zu leisten, hat er es unternommen, sich dem Wehrdienst zu entziehen.
Er hat sich dadurch der Zersetzung der Wehrkraft schuldig gemacht
und ist deshalb gemäss § 5 Abs. 1 Ziffer 3 KSSVO. zu bestrafen.
Die Strafbarkeit seiner Handlung wird dadurch nicht ausgeschlossen,
dass er sein Verhalten nach seinem Gewissen und seiner religiösen
Überzeugung für geboten erachtet (§ 48 MStGB.). Anhaltspunkte
dafür, dass er für sein Verhalten nicht verantwortlich sei
sind nicht gegeben. Nach dem Gutachten des Truppenarztes Oberstabsarzt
Dr. Nitze vom Wehrmachtsuntersuchungsgefängnis Berlin-Tegel ist
der Angeklagte völlig normal, so dass an seiner Zurechnungsfähigkeit
nicht zu zweifeln ist. Fälle von Geistes- oder Erbkrankheiten
sind in seiner Familie nicht festgestellt worden.«
6.0 Letzte Zeugnisse aus dem Gefängnis
Als zum Tod Verurteilter war Franz Jägerstätter ab 6. Juli
1943 Tag und Nacht mit engen Handschellen gefesselt. Pflichtanwalt
Leo Feldmann vermittelt den Kontakt zum Standortpfarrer und zuständigen
Gefängnisseelsorger Heinrich Kreutzberg und verständigt
auch den Heimatpfarrer Vikar Ferdinand Fürthauer. Mit diesem
besucht Franziska Jägerstätter am 12. Juli ihren Mann. Die
etwa 20-minütige Begegnung war von Überredungsversuchen
Fürthauers ausgefüllt.
Am Tag vor der Hinrichtung schreibt Jägerstätter: »Ich
wollte, ich könnte Euch all dieses Leid, das Ihr jetzt um meinetwillen
zu ertragen habt, ersparen. Aber Ihr wisst doch, was Christus gesagt
hat: ›Wer Vater, Mutter, Gattin und Kinder mehr liebt als mich,
ist meiner nicht wert.‹ «
Im Abschiedsbrief drückt er dieselben Gedanken in für die
Familie weniger schmerzlicher Weise aus: »Liebste Gattin und
Mutter. Es war mir nicht möglich, Euch von diesen Schmerzen,
die Ihr jetzt um meinetwillen zu leiden habt, zu befreien. Wie hart
wird es für unseren lieben Heiland gewesen sein, dass er durch
sein Leiden und Sterben seiner lieben Mutter so große Schmerzen
bereiten musste und das haben sie alles aus Liebe für uns Sünder
gelitten. Ich danke auch unsrem Heiland, dass ich für ihn leiden
durfte und auch für ihn sterben darf.«
Die Aufzeichnungen Jägerstätters der letzten Zeit lassen
Kraft und innere Freiheit erkennen:
»Werde hier nun einige Worte niederschreiben, wie sie mir gerade
aus dem Herzen kommen. Wenn ich sie auch mit gefesselten Händen
schreibe, aber immer noch besser, als wenn der Wille gefesselt wäre.
Offensichtlich zeigt Gott manchmal seine Kraft, die er dem Menschen
zu geben vermag, die ihn lieben und nicht das Irdische dem Ewigen
vorziehen. Nicht Kerker, nicht Fesseln, auch nicht der Tod sind es
imstande einen von der Liebe Gottes zu trennen, ihm seinen Glauben
und den freien Willen zu rauben. Gottes Macht ist unbesiegbar ...
Immer wieder möchte man einem das Gewissen erschweren betreffs
Gattin und Kinder. Sollte die Tat, die man begeht dadurch vielleicht
besser sein, weil man verheiratet ist und Kinder hat? Oder ist deswegen
die Tat besser oder schlechter, weil es Tausende andrer Katholiken
auch tun? ... Hat nicht Christus selbst gesagt, wer Gattin, Mutter
und Kinder mehr liebt als mich, ist meiner nicht wert. Aus welchem
Grund bitten wir denn dann Gott um die sieben Gaben des Hl. Geistes,
wenn wir ohnedies blinden Gehorsam zu leisten haben?«
Und an anderer Stelle:
»Zu was hat denn Gott alle Menschen mit einem Verstande und
freien Willen ausgestattet, wenn es uns, wie so manche sagen, gar
nicht einmal zusteht, zu entscheiden, ob dieser Krieg, den Deutschland
führt, gerecht oder ungerecht ist? Zu was braucht man dann noch
eine Erkenntnis zwischen dem, was Gut oder Böse ist?«
Über den letzten Tag seines Lebens berichtet er im Abschiedsbrief:
»Heute früh um zirka halb 6 Uhr hieß es sofort anziehen,
das Auto wartet schon, und mit mehreren Todeskandidaten ging dann
die Fahrt hierher nach Brandenburg, was mit uns geschehen wird, wussten
wir nicht. Erst zu Mittag teilte man mir mit, dass das Urteil am 14.
(Juli) bestätigt wurde und heute um 4 Uhr nachmittags vollstreckt
wird. ... Will euch nun kurz einige Worte des Abschiedes schreiben.
Liebste Gattin und Mutter. Bedanke mich nochmals herzlich für
alles, das Ihr mir in meinem Leben alles für mich getan, für
all die Liebe und Opfer, die Ihr für mich gebracht habt, und
bitte Euch nochmals, verzeiht mir alles, was ich Euch beleidigt und
gekränkt habe, sowie Euch auch von mir alles verziehen ist. Ich
bitte auch alle anderen, die ich jemals beleidigt oder gekränkt
habe, mir alles zu verzeihen, ganz besonders Hochw. Herrn Pfarrer
wenn ich ihn durch meine Worte vielleicht noch sehr gekränkt
habe, als er mich mit Dir besuchte. Ich verzeihe allen von Herzen.
Möge Gott mein Leben hinnehmen als Sühn-Opfer nicht bloß
für meine Sünden, sondern auch für andere.«
Am 9. August 1943 um 16 Uhr wird Franz Jagerstätter in Brandenburg
an der Havel enthauptet.
7.0 Nach der Hinrichtung
Am Abend desselben Tages erzählte Gefängnispfarrer Jochmann
davon den Vöcklabrucker Schulschwestern, die in Brandenburg ein
Krankenhaus führten: »Ich kann Euch nur gratulieren zu
diesem eurem Landsmann, der als Heiliger gelebt und als Held gestorben
ist. Ich habe die Gewissheit, dass dieser einfache Mensch der einzige
Heilige ist, der mir in meinem Leben begegnet ist.«
Die Leiche wurde im Krematorium der Stadt Brandenburg eingeäschert;
dank der Ordensschwestern konnte die Urne Jägerstätters
gesichert werden. Bei der ersten Reise der Schwestern nach Kriegsende
ins Mutterhaus nach Vöcklabruck brachten sie die Asche Franz
Jägerstätters mit. Am 9. August 1946 wurde die Urne in einem
Erdgrab an der Kirchenmauer in St. Radegund beigesetzt.
Am 7. Mai 1997 wurde vom Landgericht Berlin das Feldurteil des Reichskriegsgerichts
vom 6. Juli 1943 aufgehoben. Am 7. Oktober 1997 wurde der diözesane
Informativprozess zur Seligsprechung Franz Jägerstätters
eingeleitet.
Iris Wagner und Thomas Cwierz (Jänner
2004, 1AD)
Quellen: Online-Informationen
der Diözese Linz. Vgl. dazu: Jan Mikrut (Hg.), Blutzeugen
des Glaubens. Martyrologium des 20. Jahrhunderts, Bd. 2: Di�zesen
Graz-Seckau und Linz, Wien 2000.
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