4.0 Ablauf der Ereignisse rund um die Reformation

4.1 Erste Reaktionen auf Luthers Thesen (1517-19)

Luther hatte die Thesen außer den Bischöfen nur wenigen Freunden gesandt. Somit erwartet und erhält er auch nicht sofort eine Reaktion. Jedoch bereits Ende 1517 sind Drucke der Thesen in Leipzig, Nürnberg und Basel im Umlauf. Es gibt sowohl stürmische Zustimmung seitens einiger humanistischer Gelehrter und auch einiger Fürsten, als auch völlige Ablehnung aus vielen Teilen der römisch-katholischen Kirche. So vor allem von dem am meisten kritisierten Ablassprediger Tetzel, der sogar Todesdrohungen gegen Luther ausgesprochen haben soll und ihn schon in der Nachfolge des zum Ketzer verurteilten Jan Hus auf den Scheiterhaufen wünscht. Die Bischöfe reagieren jedoch vorerst noch nicht drastisch. Sie berichteten dem Papst über den »Rebellen« in den eigenen Reihen und weisen Luthers direkten Vorgesetzten an, mäßigend auf den Aufmüpfigen einzuwirken. Die von Luther angeprangerten Fehler erkennend, begrüßen einige Bischöfe sogar anfangs die Reformvorschläge.

4.2 Präzisierung der Standpunkte und Eröffnung des Ketzerprozesses

Luther sieht sich durch den wachsenden Druck genötigt, seine Thesen durch weitere Schriften zu präzisieren und zu erläutern. Er selbst äußert sich 1518 dahingehend, dass er mit den Thesen ja lediglich einen Missstand zu beseitigen und nicht das ganze Papsttum aus den Angeln zu heben trachte. Dennoch ist die Lawine nicht mehr aufzuhalten. Die Kurie reagiert auf den vermeintlichen Ketzer drastisch, 1518 wird in Rom der Ketzerprozess eröffnet.

4.3 Zunehmende Abgrenzung vom Papsttum

Durch die Angriffe seitens der römischen Kurie wird Luther gezwungen, seine religiösen Ansichten zu einer selbständigen Theologie auszuformen. So arbeitet er in den Jahren 1520/21 an den drei großen reformatorischen Schriften »An den christlichen Adel deutscher Nation«, »Von der babylonischen Gefangenschaft der Kirche« und »Von der Freiheit eines Christenmenschen« und trennt sich nun innerlich völlig von Rom.

4.4 Verbrennung der Bannandrohungsbulle und Bannfluch (1520/21)

Der Ketzerprozess gegen Martin Luther gipfelt am 15. Juni 1520 in der Bannandrohung, mit der Luther ultimativ aufgefordert wird, seine Lehren zu widerrufen. Luther reagiert demonstrativ: er verbrennt die Bulle am 10. Dezember 1520 zusammen mit dem Kirchengesetzbuch und Büchern seiner Gegner an dem Platz, auf dem sich heute in Wittenberg die Luthereiche befindet, wobei er gerufen haben soll: »Weil du gottloses Buch den Heiligen des Herrn betrübt oder geschändet hast, so betrübe und verzehre dich das ewige Feuer.« Dieses Verhalten stellt seinen endgültigen und unwiderruflichen Bruch mit Rom dar. Der Papst verhängt daraufhin am 3. Januar 1521 den Bannfluch über Luther.

4.5 Luther auf dem Reichstag zu Worms (1521)

4.5.1 Die Haltung des Kaisers und die Reise nach Worms

Der Kaiser jedoch sieht sich durch die lutherfreundliche Stimmung im Land und durch den Einfluss einiger Fürsten, die hoffen, durch Luther den Einfluss des Papstes auf die Reichspolitik zu schwächen, gezwungen, Luther anzuhören. So wird der Rebell auf den Reichstag nach Worms geladen und ihm freies Geleit zugesichert. Luther begibt sich am 2. April 1521 auf die Reise nach Worms. Doch schon die Anreise zum Reichstag wird nicht zu dem von der Kirche erhofften Bußgang. Die Fahrt nach Worms gleicht eher einem Triumpfzug. In vielen Orten wird Luther mit Begeisterung empfangen. Er predigt in vielen Städten und auch in Worms, wohin er am 16. April gelangt, wird er vom Volk umjubelt empfangen.

4.5.2 Luthers Auftreten auf dem Reichstag

Luther wird deutlichst nahegelegt, seine Lehren zurückzunehmen. Dieser jedoch sieht keinen Beweis gegen seine Thesen und Ansichten, der ihn bewegen könnte, seine Thesen zu widerrufen:

»Wenn ich nicht durch Zeugnisse der Schrift und klare Vernunftgründe überzeugt werde; denn weder dem Papst noch den Konzilien allein glaube ich, da es feststeht, dass sie öfter geirrt und sich selbst widersprochen haben, so bin ich durch die Stellen der heiligen Schrift, die ich angeführt habe, überwunden in meinem Gewissen und gefangen in dem Worte Gottes. Daher kann und will ich nichts widerrufen, weil wider das Gewissen etwas zu tun weder sicher noch heilsam ist. Gott helfe mir, Amen!«

4.5.3 »Ich bin hindurch!«

Nachdem er den Verhandlungssaal verlassen hat, ruft er erleichtert »Ich bin hindurch.« Und er ist auch erst einmal hindurch: Luther wird entlassen, jedoch nicht verhaftet, da ihm der Schutzbrief für 21 Tage freies Geleit zusichert. Er begibt sich am 25. April auf die Rückreise. Als er und die ihn unterstützenden Fürsten Worms verlassen haben, verhängt der Kaiser über Luther die Reichsacht (Wormser Edikt), er ist nun vogelfrei.

4.6 Luther auf der Wartburg (1521/22)

4.6.1 Entführung mit Zustimmung

Auf der Rückreise von Worms lässt der Kurfürst Friedrich der Weise Luther am 4. Mai »entführen« (Luther hatte vorher davon Kenntnis). Dies geschieht einerseits um Luthers Sicherheit zu garantieren, andererseits um ihn kurzzeitig von der Bildfläche verschwinden zu lassen und die ständigen Angriffe auf die reformatorische Bewegung etwas abzuschwächen.

4.6.2 Luther als Junker Jörg auf der Wartburg

Luther wird auf die abgeschiedene Wartburg gebracht und die reformatorische Bewegung hat Zeit, sich zu festigen. Als Junker Jörg lebt er nun auf der Wartburg. Luther hat aber an allerlei körperlichen Gebrechen zu leiden. Die vielen, teils von ihm selbst, teils durch andere, berichteten Kämpfe mit dem Satan, wie der sprichwörtliche »Wurf mit dem Tintenfass« (Begegnung mit dem Teufel), mögen ihm in dieser Zeit arg zu schaffen gemacht haben.

4.6.3 Luthers Bibelübersetzung

So widmet sich Luther einer neuen Aufgabe. Er übersetzt in nur elf Wochen das Neue Testament aus dem Griechischen ins Deutsche. Das später noch von anderen Spezialisten bearbeitete Werk erscheint 1522 im Druck. Dieses sogenannte »Septembertestament« findet in den evangelischen Gebieten einen reißenden Absatz und wird dort zum Volksbuch, somit stellt es einen wesentlichen Beitrag zur Entwicklung einer einheitlichen deutschen Schriftsprache dar. Es folgen später erst Teile des Alten Testamentes, 1534 erscheint die Gesamtausgabe der Bibel in deutscher Sprache, die ebenfalls große Verbreitung findet. Dadurch wird Luther zum Schöpfer der neuhochdeutschen Schriftsprache.

4.7 Ereignisse in Wittenberg während der Abwesenheit Luthers

Die reformatorischen Ideen wurden nun in Wittenberg, das zum Zentrum der Reformation geworden ist, auch praktisch umgesetzt. Demonstrativ heiraten 1521 drei Priester (was im evangelischem Glauben erlaubt ist), auch der Gottesdienst wird reformiert. Luther sieht diese Veränderungen aus der Ferne mit Wohlwollen, er hält engen Briefkontakt zu seinen Mitstreitern in Wittenberg.

4.8 Theologische Fundierung der Reformation durch Philipp Melanchton

Besonders hervorzuheben ist auch noch das Wirken Philipp Melanchthons (Universitätsprofessor in Wittenberg und Freund Luthers), der 1521 mit seinem Werk »Loci communes« die erste Formulierung der lutherischen Lehre schafft und somit das Wirken der Reformation auch theologisch begründet. Luther jedoch kehrt, als 1522 die radikaleren Kräfte der Reformation die Überhand gewinnen, nach Wittenberg zurück.

5.0 Katholische und evangelische Lehre im Überblick

· Oberhaupt: katholische Kirche - Papst; evangelische Kirche - Landesfürst
· Zölibat: katholische Kirche - Ja; evangelische Kirche - Nein
· Sakramente: katholische Kirche - 7 (Taufe, Eucharistie, Firmung, Ehe, Krankensalbung, Buße, Weihe);
evangelische Kirche - 2 (Taufe, Abendmahl)
· Wallfahrt; katholische Kirche - Ja; evangelische Kirche - Nein
· Heiligenverehrung: katholische Kirche - Ja; evangelische Kirche - Nein
· Quellen des Glaubens: katholische Kirche - Bibel u. Tradition; evangelische Kirche - Nur Bibel
· Frauen als Priester: katholische Kirche - Nein; evangelische Kirche - Ja

6.0 Die weiteren Ereignisse

6.1 Luthers Rückkehr nach Wittenberg (1522-25)

Nach dem ersten »Bildersturm« in Wittenberg kehrt Luther aus der Verbannung zurück. Er macht einige Reformen rückgängig, da er die Gefahr sieht, dass die Menschen zum neuen Glauben gezwungen werden. Dies will er jedoch verhindern. Luther kommt am 6. März 1522 nach Wittenberg und bringt die reformatorische Bewegung, die er ins Radikale abgleiten sah, wieder zurück auf eine gemäßigte Linie. Zwar ist die Rückkehr des Geächteten gefährlich, jedoch erreichen die Reformatoren im Hinblick auf Luthers Sicherheit weitere Teilerfolge: der 2. Nürnberger Reichstag erklärt den Bann gegen Luther für undurchführbar. Zwar wird 1524 auf dem 3. Nürnberger Reichstag dieser Bann erneuert, doch hat sich die Reformation bis dahin so gefestigt, dass eine Verhaftung Luthers nun wenig wahrscheinlich ist.

6.2 Luthers Wirken durch Schriften und Predigten

In den folgenden Jahren geht Luther daran, durch Schriften und Predigten seine Lehren praktisch umzusetzen. In der Schrift »Von der weltlichen Obrigkeit, wie weit man ihr Gehorsam schuldig ist« formuliert Luther die Grundlagen seiner politischen Ethik, in diesem Werk kommt wiederum die gemäßigte Einstellung Luthers zum Tragen. In den Jahren 1522 bis 1524 ist vor allem Luthers Predigttätigkeit hervorzuheben. Er führt Predigtreisen in ganz Mitteldeutschland durch, so im Herbst 1522 sogar in Erfurt und Weimar. Er sieht es als sehr wichtige Aufgabe an, den Menschen das Evangelium zu verkünden und zu erläutern.

6.3 Luther und die Bauernkriege (1524/25)

Nun erwächst der Reformation neue Gegnerschaft. Diesmal sind es die radikalen Kräfte aus den eigenen Reihen. Thomas Münzer, Priester und ehemaliger Anhänger Luthers, wird 1525 zum Führer der Bauernerhebungen. Diese, sich auf die lutherischen Lehren berufenden Kräfte, fordern gerechtere wirtschaftliche Verhältnisse, auch durch den Sturz der Obrigkeiten. Sie fordern die Priester selbst wählen zu dürfen, fordern Freiheit und faire Gesetze. In Luthers Predigten, die er auch im Aufstandsgebiet selbst hielt, wendet er sich gegen jede gewaltsame Handlung. Er erntet jedoch nur Ablehnung seitens der Bauern, die auf seine Unterstützung gehofft hatten. Luther aber fordert die Menschen dazu auf, sich von geistiger Willkür der Obrigkeit zu befreien, nicht von wirtschaftlicher und politischer. So entsteht die wüste Schrift »Wider die Mordischen und Räuberischen Rotten der Bauern«, die bis heute eine der umstrittensten Schriften des Reformators darstellt. Die Bauern erfahren am 15. Mai in der Schlacht bei Frankenhausen eine vernichtende Niederlage.

6.4 Der Tod Martin Luthers (1546)

Der von Krankheiten gezeichnete Luther bricht am 17.01.1546 zur letzten Reise seines Lebens in seine Geburtsstadt Eisleben auf. Er stirbt am 18. Februar 1546 in Eisleben. Auf dem Sterbebett betet er: »In Deine Hände befehle ich meinen Geist. Du hast mich erlöst, Herr, Du treuer Gott.« Nachdem der Sarg zwei Tage in Eisleben aufgebahrt wurde, wird er über Halle und Bitterfeld nach Wittenberg überführt.

6.5 Der Augsburger Religionsfriede (1555)

Die angespannte Situation zwischen Katholiken und Protestanten führte nun doch 1555 zum Augsburger Religionsfrieden. Die Bestimmungen des Religionsfriedens erlauben den protestantischen Fürsten, in ihren Ländern die Reformation nach ihrem Ermessen durchzusetzen - die Untertanen müssen sich dieser Entscheidung beugen. Der Augsburger Religionsfriede war jedoch nur eine Übergangslösung. Gleichzeitig besiegelte er die Spaltung der Kirche.

6.6 Der 30-Jährige Krieg

Die Verschärfung der konfessionellen Gegensätze seit dem Augsburger Religionsfrieden 1555 führte 1608/09 zu einer Verhärtung der Fronten zwischen den Reichsständen. 1608 wurde die protestantische Union, 1609 die katholische Liga gegründet. Diese andauernden Spannungen zwischen Katholiken und Protestanten führten schlußendlich zum 30-jährigen Krieg (1618-1648). Durch den Westfälischen Frieden im Jahre 1648 endete der Krieg. Die Beschlüsse des Augsburger Religionsfrieden wurden erneut bestätigt. Reformierte erhielten die gleichen Rechte wie Katholiken.

6.7 Kirchenspalter oder Erleuchteter im Glauben?

Die Wirkungsgeschichte der Ideen Luthers zeigt, dass sich an diesem Reformator die Geister scheiden: Luther war für die römisch-katholische Kirche bis in unser Jahrhundert hinein der Kirchenspalter, der einen großen Teil des Abendlandes vom richtigen Weg abbrachte. In der evangelischen Kirche hingegen wurde der Reformator als »Erleuchter im Glauben« verklärt und überhöht.

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