5.0 Die Rolle der Inquisition in Spanien

5.1 Beispiele für das Wirken der Inquisition

1507 verbrennt der Inquisitor von Logrono ca. 30 Personen. 1527 beschuldigen zwei Mädchen (9 bzw. 11 Jahre alt) mehrere Menschen der Hexerei, daraufhin werden 150 Personen verhört. Die Inquisitoren, die zu Hilfe gerufen wurden, dämpften den Übereifer der zivilen Justiz und der Bevölkerung. Nur selten lassen sie sich von den Anklagepunkten überzeugen, die Strafen, die sie verhängten, sind nicht sehr streng. Häufig werden bereits nach einem gründlichen Verhör, die Angeklagten wieder freigelassen.
Das Baskenland hingegen gerät in Aufruhr; auf Anfrage der weltlichen Justiz entsendet 1610 der Inquisitor von Logrono einen Kommissar nach Zugarramurdi. Mehr als 300 Personen werden vor Gericht verhört. Bis 1614 dauern die Prozesse. Im Gegensatz zu den Forderungen der weltlichen Richter werden aber relativ milde Strafen verhängt. Sieben Hexen werden verbrannt, fünf andere, die während des Prozesses gestorben waren, werden symbolisch verbrannt. 18 werden begnadigt. Nach den Prozessen legte sich die Spannung. Der zeremoniellen Magie, die »hechiceria« auf die die Inquisition in anderen Gegenden stößt, wird von ihr relativ tolerant gehandhabt. Hexerei erlangt in Spanien nur nebensächliche Bedeutung, die Bedeutung ihrer Verfolgung nahm aber mit der Zeit zu.

5.2 Vorgehen gegen konvertierte Juden und Mauren

Das eigentliche Ziel der Inquisition in Spanien war das Aufspüren, der nur nach außen hin bekehrten, der Marrassen Marisken. Nachdem das spanische Königspaar, Isabella und Ferdinand, über die Mauren siegte und die Reconquista abgeschlossen war, bekehrten sich viele Mauren und Juden zum Christentum. Das Königspaar sah in diesen Bekehrten, den sog. »Conversos«, die sie für keine richtigen Christen hielten, eine Bedrohung für den Staat. Durch ihren gesellschaftlichen Aufstieg erweckten sie vielfach Neid. Nachdem noch Gerüchte verbreitet wurden, sie hingen insgeheim weiter jüdischen Bräuchen an und übten sie auch aus, kam es bald zu Volksaufständen gegen sie. Zur Untersuchung dieses Verdachts kamen die »Conversos« vor die Inquisitionsgerichte. Der Papst hatte der Verfolgung der »Conversos« zunächst seinen Segen gegeben, entzog aber bald schon seine Billigung. Der spanische Inquisitor hielt sich nicht an die strengen Regeln des päpstlichen Verhörs und fühlten sich an die päpstlich Autorität nicht gebunden. Eine wichtige Rolle hat sicherlich die Tatsachte gespielt, dass der Papst an den Gewinnen nicht beteiligt wurde. Die Verfolgungen wurden trotzdem fortgesetzt und von König Ferdinand und Königin Isabella gefördert. Ihr Ziel war es, die Neuchristen aus dem öffentlichen Leben verschwinden zu lassen.

5.3 Hexenprozesse als grausiges Schauspiel

In Spanien forderte die Inquisition die höchste Zahl an Opfern und wandte sie sich in erster Linie gegen die Mauren und Juden. Man behauptete, dass der »berühmteste« aller Großinquisitoren Torquemada (er wurde 1483 eingesetzt, und herrschte 15 Jahre lang) mehr als 100.000 Personen den Inquisitionsverfahren unterwarf, davon wurden 10.000 verbrannt. Außerdem wurde der sog. Autodafe (Glaubensakt) eingeführt, er bestand aus der feierlichen Verkündung und der anschließenden Vollstreckung eines von einem Gericht der Inquisition gefällten Urteils (Freispruch oder Tod durch Verbrennen). Der erste Autodafé soll 1481 in Sevilla, der letzte 1815 in Mexiko stattgefunden haben. Bei einem Autodafe, welcher als feierlicher Glaubensakt galt, wurden oft Hunderte von Ungläubigen an einem Tag verbrannt und boten den Vertretern der Kirche und des Hofes sowie dem Volk ein schreckliches Schauspiel.

5.4 Statistische Daten

Von 1478 bis 1530 waren 91 Prozent der Angeklagten »Conversos«. In der Hälfte aller Fälle (ca. 900 allein in Toledo) wurden sie beim sogenannten »Autodafe« zum Tode verurteilt. In Guadalupe waren sogar 82 Prozent der Beschuldigten zum Tode verurteilt worden. Die spanische Inquisition übte ihren Einfluss bis 1820 aus. Der Anteil der »Conversos« nahm mit der Zeit ab, denn die meisten der neuen Christen waren längst emigriert. Zwischen 1721 und 1725 ließ das Kirchengericht noch 160 vermeintliche Juden verbrennen.

5.5 ...alles was nicht katholisch war...

Die meisten spanischen Ketzer waren aber inzwischen ganz normale Gotteslästerer, Humanisten, »Lutheranos«, Bigamisten und Hexen. Die voreingenommenen Inquisitoren machten keinen Unterschied zwischen Ketzerei und Hexerei, religiöser Auflehnung und Andersgläubigkeit, Wissenschaft und Magie. Sie hielten bis zur Abschaffung der Prozesse an ihren mittelalterlichen Anschauungen fest. Protestanten, Calvinisten, Zwinglianer und Hugenotten waren Ketzer. Man bekämpfte alles, was nicht katholisch war. Hexen, Ehebrecher, Juden, Gotteslästerer, englische Kaufleute und Astrologen endeten in den Gefängnissen des Heiligen Offiziums.

5.6 Ein Pferd auf dem Scheiterhaufen

Im 17. Jahrhundert verurteilten die Inquisitoren ein Pferd, dessen Besitzer, ein Engländer, ihm einige Kunststücke beigebracht hatte, zum Tode auf dem Scheiterhaufen. Diese fortschrittsfeindliche Mentalität führte schließlich zum Untergang des spanischen Reiches. Die Inquisition wurde erst von apoleon endgültig abgeschafft. Der Inquisitionssekretär Llorente schätzte in seiner »Geschichte der Inquisition«, dass bis ins Jahr 1792, Menschen in Spanien hingerichtet worden wären. Im Jahre 1808 durchsuchten die Soldaten Napoleons ein Dominikanerkloster bei Madrid, sie fanden Folterkammern und Gefangene. Die französischen Truppen jagten daraufhin das Kloster in die Luft. Unter Napoleon verliert die spanische Inquisition endgültig ihre Macht.

6.0 Die Rolle der Inquisition in Italien

6.1 Vergleichsweise mildes Vorgehen

In Italien waren die Lutheraner der Staatsfeind Nummer eins. Die aus Spanien und Portugal eingewanderten »Conversos« wurden nur äußerst selten verfolgt. 1542 eröffnete Papst Paul III die Inquisition gegen die Protestanten. Allerdings wurden in Italien die Kirchenfeinde nie pauschal verfolgt.
In der Stadt Lucca war die Inquisition beispielsweise verboten, in Neapel unterstand sie er örtlichen Kirche, in Venedig und Genua konnte eine Laienbehörde das Urteil der Inquisitoren sogar aufheben. Meist beschäftigte sich die italienische Inquisition mit privaten Streitigkeiten unter Bürgern. Streitigkeiten, die bei den Hexenprozessen in Deutschland meist zum Tode der Angeklagten geführt hätten, wurden hier meist milde bestraft oder auch gar nicht.
1579 wird eine der Hexerei beschuldigte Frau in Modena freigesprochen. Eine Prostituierte, die wegen erotischer Beschwörungen vor Gericht stand, wurde öffentlich ausgepeitscht und in die Verbannung geschickt.

6.2 Spektakuläre Fälle: Giordano Bruno und Galilei

Anders sah es aus, wenn es um die Wissenschaft ging. Im Jahre 1600 wurde der Humanist Giordano Bruno öffentlich verbrannt, weil er für das heliozentrische Weltbild des Kopernikus eintrat. Galilei muss sich 1633 vor dem Heiligen Offiziums verantworten (selbe Anschuldigung) und nur weil er widerrief, kam er mit dem Leben davon und wurde unter Hausarrest gestellt.

7.0 Historische Daten im Überblick

Hier kommen jetzt nur noch die wichtigsten Daten zur Inquisition in den Europäischen Ländern:

11. Jahrhundert:
Die Kirche ist am Höhepunkt ihrer Macht; neue Sekten breiten sich in ihrem Gebiet aus und stellen den Alleinvertretungsanspruch der offiziellen Kirche in Frage.

1126:
Pierre de Bruys wurde verbrannt, weil er öffentlich verkündet hatte, dass »Gott auf dem Marktplatz genau so gut wie in der Kirche zu finden ist; die Formen und Zeremonien, die so vielen Menschen den wahren Glauben ersetzen, sind völlig unnütz; das Kreuz sollte nicht angebetet werden. Die Priester lügen, wenn sie vorgegeben, sie hätten Christi Leib gemacht, und ihn den Menschen zu ihrer Erlösung überreichen.« Er war ein Reformtheologe und gründete die häretische Sekte der Petrobrusianer.

1184:
Geburtsjahr der Inquisition; Papst Lucius II veröffentlicht mit Einverständnis des Kaisers Friedrich Barbarossa den Erlass, in dem Bischöfe und Erzbischöfe beauftragt werden, jede Gemeinde ihrer Bistümer zweimal im Jahr persönlich zu besuchen, um zuverlässige Menschen ausfindig zu machen, die mithelfen sollten, Ketzer zu entlarven und diese einem kirchlichen Gericht zuzuführen.

12. Jahrhundert:
Personengruppe: Kartharer
Vorwürfe: Dualismus, das heißt die Anerkennung
zweier Prinzipien: des göttlichen, das Geist, Seele und Himmel schuf, und des teuflischen, das Körper und die Erde schuf. »Kinder des Teufels«.
Motive hinter den Vorwürfen: Furcht der katholischen Kirche vor berechtigter Kritik und Unterwanderung.
Reaktion: Uneinheitliches Vorgehen der Kirche, teilweise Verbrennung. Später fallen sie der Inquisition zum Opfer.

1227:
Die Franziskaner und vor allem die Dominikaner werden durch Gregor IX. beauftragt, die Inquisition durchzuführen.

1234:
Personengruppe: Stedinger Friesen (Bauern)
Vorwürfe: Teufel in Gestalt eines Bockes/Frosches
Motive hinter den Vorwürfen: Dem Erzbischof von Bremen ging es um die Abgaben der Stedinger, die sie ihm aus politischen Gründen verweigerten.
Reaktion: Kein Prozess, sondern Kreuzzug. Vernichtung der Aufständischen bei Altenesch, der Rest erkennt die Forderungen an.

1252:
Papst Innozenz IV. lässt die Folter zur Wahrheitsfindung zu.

1264:
Die erste Hexenverurteilung fand 1264 statt. Der zunächst gegen die Ketzer geführte Kampf, weitete sich zu einem Feldzug gegen die Hexerei aus. Anfangs waren die beiden Beschuldigten identisch, jede Ketzerei war teuflisch und die der Hexerei für schuldig befunden Personen waren Ketzer. Später unterschied man zwischen diesen beiden Verbrechen, und sie wurden wohl nur gemeinsam behandelt, um das Urteil des Gerichts zu beeinflussen.

1309 - 1311:
Personengruppe: Templer (vorwiegend Söhne französischer Adliger; die durch die Kreuzzüge enorme Reichtümer angehäuft hatten).
Vorwürfe: Anbetung eines Dämonen names Baphomet, Homagium, sexuelle Vermischung Motive hinter den Vorwürfen: Finanzielle Sorgen des Königs (Phillip der Schöne) Reaktion: Verhaftung und Einziehung des Vermögens. Keine Verteidigung gestattet, Papst löst den Orden auf; Widerruf der Templer; Verbrennung.

1325:
Papst Johannes erließ die Bulle »Cum inter nonnullos«. In dieser wurde erklärt, die Behauptung, Jesus und seine Jünger hätten keinerlei Besitz gehabt, sei Häresie. Damit erging an die Inquisitoren die Anordnung, all diejenigen zu verfolgen, die daran festhielten, dass Jesus ein armer Mann gewesen sei. 114 »spirituelle Franziskaner« wurden aus diesem Grund verbrannt.

1335 - 1353:
Prozess von Toulouse
Vorwürfe: Anbetung des Teufels, Sabbat, Reigentanz
Motive hinter den Vorwürfen: Religiöser Fanatismus des Inquisitoren
Reaktion: 8 Todesurteile, 11 lebenlängliche Haftstrafen,44 mal 20 Jahre Gefängnis

1435:
Person: Jeanne d'Arc
Vorwürfe: Anzweiflung der Autorität der Kirche
Motive hinter den Vorwürfen: politische Gründe der Engländer
Reaktion: politischer Justizmord, als Ketzerprozess geführt, Verbrennung

1459:
Personengruppe: »Vauderie« von Arras
Vorwürfe: Teufel in Gestalt eines Bockes, Homagium, Ritt auf gesalbten Stöcken zum Sabbat, Verunglimpfung der katholischen Kirche, sexuelle Vermischung
Motive hinter den Vorwürfen: religiöser Fanatismus der Inquisitoren Reaktion: Übergang vom Ketzer- zum Hexenprozess. Es wird dem Prozess das Denunziationsprinzip hinzugefügt.

um 1450:
Der Buchdruck wird erfunden. Die Verbreitung von Schriften gegen Ketzer und Hexen verschärft die Verfolgungen!

1484:
Ketzer/Hexenbulle des Papstes Innozenz VIII richtet sich gegen den Abfall vom katholischen Glauben bei Männern und Frauen gleichermaßen. Der Vorwurf des Schadenszaubers konzentriert sich auf die Verhinderung der Fruchtbarkeit bei Mensch, Tier und Pflanze.

1478:
Inquisitionsgerichte werden, zunächst mit Billigung des Papstes, in Spanien eingeführt.

1600:
Der Humanist Giordano Bruno wird öffentlich verbrannt.

1633:
Galileo Galilei muss öffentlich seinen Erkenntnissen abschwören.

18. Jahrhundert:
Im 18. Jahrhundert kommt die Aufklärung, die Macht der Inquisitoren wird schließlich abgebrochen.

1992:
Papst Johannes Paul II. rehabilitiert Galilei posthum.

Michael Schwarz (Mai 2003, 5CK)

« page 1 2 3 »