Gottesfrage - Lässt sich Gott
beweisen?
1.0 Der unsichtbare Gärtner
Es waren einmal zwei Forschungsreisende, die kamen zu einer Lichtung
im Dschungel, wo viele Blumen und Kräuter wuchsen. Da sagte
der eine Forscher: »Es muss einen Gärtner geben, der
dieses Stück Land bebaut.« Der andere widersprach: »Es
gibt keinen Gärtner.«
Da schlugen sie ihre Zelte auf und überwachten die Lichtung.
Aber kein Gärtner ließ sich blicken. »Vielleicht
ist es ein unsichtbarer Gärtner.« So zogen sie einen
Zaun aus Stacheldraht und setzten ihn unter Strom. Und sie schritten
ihn mit Spürhunden ab. Kein Schrei aber ließ jemals vermuten,
dass ein Eindringling einen Schlag bekommen hätte. Keine Bewegung
des Drahtes deutete jemals auf einen Unsichtbaren hin, der hinüberkletterte.
Auch die Spürhunde schlugen niemals an.
Dennoch war der Gläubige noch nicht überzeugt. »Es
gibt doch einen Gärtner, unsichtbar, unberührbar, unempfindlich
gegen elektrische Schläge, einen Gärtner, der keine Spur
hinterlässt und keinen Laut von sich gibt, der aber heimlich
kommt und sich um den Garten kümmert, den er liebt.«
Schließlich sagte der Skeptiker verzweifelt: »Was ist
denn eigentlich von deiner ursprünglichen Behauptung übriggeblieben?
Wie unterscheidet sich denn dein unsichtbarer, unberührbarer,
ewig ungreifbarer Gärtner von einem eingebildeten oder gar
von überhaupt keinem Gärtner«?
1.1 Überlegungen zur Geschichte
· Was könnte der Grund für die Annahme sein, dass es
einen Gärtner gibt?
· Woher weiß der zweite Forscher, dass es keinen Gärtner
gibt?
· Warum hält der »gläubige« Forscher an einem
unsichtbaren Gärtner fest?
· Wie kommt der Forscher auf die Idee, dass der Gärtner seinen
Garten liebt?
· Warum ist der Skeptiker verzweifelt?
1.2 Was meinst Du?
· Kennst Du »Dinge«, an deren Existenz Menschen glauben,
ohne dass man diese »sehen« (messen) kann?
· Was hältst du z.B. von: Strom, Vernunft, Liebe, Freiheit,
Gerechtigkeit, Freundschaft...
· In der Geschichte vom unsichtbaren Gärtner geht es letztlich
um die Frage: Gibt es Gott? Gibt es Menschen mit übernatürlichen
Fähigkeiten? Wem gehört der Dschungel?
2.0 Lässt sich GOTT beweisen?
Gleich am Anfangt muss man feststellen, dass man keinem, auch sich
selbst nicht, Gott und sein Reich auf den Tisch legen, d.h. Gottes
Dasein und Wesen kann nicht so bewiesen werden, dass kein Zweifel
mehr möglich ist. Deshalb kann auch kein Ungläubiger durch
einen Gottesbeweis zum Glauben gebracht werden.
2.1 Jenseits des Horizontes unserer Sinne
Gott ist das tiefste Geheimnis der Wirklichkeit, über allem
erhaben, was gedacht und erfahren werden kann. Er kann darum nicht
bewiesen werden wie ein Lehrsatz der Mathematik, Geometrie oder
Logik, der dann allen einleuchtet, oder nachgewiesen werden wie
ein chemischer Stoff.
2.2 Läßt sich der Glaube erzwingen?
Der Glaube an Gott ist ein Akt freier, personaler Hingabe; er kann
nicht durch einen Beweis erzwungen werden; er kann nur in der Begegnung
mit der Offenbarung und in freier Entscheidung vollzogen werden.
2.3 Glaube und Vernunft
Andererseits kann aber auch kein Atheist beweisen, dass GOTT nicht
existiert. Sind deshalb Gottesbeweise, ebenso wie die Argumente
gegen eine Existenz Gottes, nicht letztlich sinnlos und daher völlig
überflüssig? Keineswegs! Der an Gott glaubende Mensch
ist zugleich ein denkender, manchmal auch philosophierender Mensch,
Er glaubt nicht gegen seine Vernunft, nicht ohne Verstand. Deswegen
hat er sich auch der Frage nach der Sinnhaftigkeit seines Glaubens
zu stellen, besonders wenn dieser durch Einwände der atheistischen
Kritik oder des eigenen Verstandes in Frage gestellt wird.
2.4. Fünf Wege
Solcherart Gottesbeweise haben Philosophen und Theologen im Laufe
der Geistesgeschichte auf durchaus verschiedene Weise erarbeitet.
Beispielhaft sind die »fünf Wege« des Thomas von
Aquino in seiner Theologischen Summe. Alle fünf Wege haben
eine gemeinsame Grundstruktur. Sie gehen von einer wesentlichen
Eigenschaft der Wirklichkeit aus, wie sie in dieser Welt gegeben
ist, und fragen weiter und gelangen schlussfolgend zum letzten Grund
dieser Wirklichkeit.
2.4.1 Notwendigkeit eines »unbewegten Bewegers«
Der erste Weg setzt bei der unbestreitbaren Tatsache ein, dass
es in der Welt Veränderung gibt, Möglichkeiten verwirklicht
werden. Es verändert sich aber nur etwas, wenn es von einem
anderen dazu bewegt wird; dieses aber muss auch wieder von einem
anderen bewegt sein, und das setzt sich immer so weiter fort bis
man zu einem Erstbewegenden kommt, das selber nicht von anderswoher
bewegt wird. Damit nimmt Thomas einen Gedanken des griechischen
Philosophen Aristoteles auf, der von GOTT als dem »Unbewegten
Beweger« gesprochen hatte.
2.4.2 Notwendigkeit einer »Erst-Ursache«
Der zweite Weg nimmt das Entstehen von Dingen zum Ausgangspunkt
und fragt nach den Ursachen, um so zu einer Erst-Ursache zu gelangen,
die selbst keiner weiteren Ursache bedarf.
2.4.3 Notwendigkeit eines »unvergänglichen Grundes«
Ähnlich schließt der dritte Weg von der Vergänglichkeit
aller irdischen Wirklichkeit auf einen letzten, unvergänglichen
Grund.
2.4.4. Notwendigkeit einer »höchsten Qualität«
Der vierte Weg stellt fest, dass Eigenschaften und Vollkommenheiten
unterschiedlicher Größe und Qualität in den Dingen
der Welt existieren; diese Seinsstufen aber verweisen auf ein höchstes
Sein, das seine Existenz aus sich selbst heraus hat.
2.4.5. Notwendigkeit eines »letzten Zieles«
Von der Sinnhaftigkeit, Zielstrebigkeit und Gesetzmäßigkeit
der Natur geht der fünfte Weg aus. Thomas folgert aus der Zweckhaftigkeit,
die überall zu finden ist: »Es muss also ein geistigerkennendes
Wesen geben, von dem alle Naturdinge auf ihr Ziel hingeordnet werden;
und dieses nennen wir Gott.«
Quelle: Anthony Flew, »Der unsichtbare Gärtner«,
in: Paul M. van Buren, Reden von Gott in der Sprache der
Welt, Zwingli Verlag, Zürich 1965, S. 8f.
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