Religionskritik - Welcher Gott ist tot?
1.0 Religionskritik Ludwig Feuerbachs (1804 - 1872)
Nicht Gott schuf den Menschen sondern der Mensch schafft sich Gott
nach seinem Bild und Gleichnis. Religion ist Projektion idealer
Vorstellungen und daher reine Illusion.
1.1 Mögliche Kritik der Kritik
Feuerbach trifft insofern einen wunden Punkt: als wir nur in anthropomorphen
(menschlichen) Bildern von Gott reden können. Dennoch ist damit
nicht bewiesen, dass Gott nicht auch außerhalb unserer Projektionen
eine reale Existenz zukommt.
2.0 Religionskritik Karl Marx‘ (1818 - 1883)
Religion ist das »Opium des Volkes«, d.h. eine Droge
die den Menschen auf das Jenseits vertröstet und ihm so den
Antrieb raubt gegen soziale Missstände zu kämpfen.
2.1 Mögliche Kritik der Kritik
Marx weist auf mögliche Fehlauffassungen von Religion als
vertröstender »Jenseitsdroge« hin. Damit erschöpfen
sich die Möglichkeiten von Religion aber nicht. Religion kann
auch Impuls zu gesellschaftlicher Veränderung sein.
3.0 Religionskritik Friedrich Nietzsches (1844 - 1900)
»Gott ist tot«. Die Vorstellung Gottes ist etwas für
schwache Menschen. Auf dem Weg zum Übermenschentum muss diese
Vorstellung überwunden werden.
3.1 Mögliche Kritik der Kritik
An die Stelle der Idee Gottes tritt ein neues Ideal: das Übermenschentum.
Das wird zum Gottersatz hochstilisiert. Wenn der Mensch sich selbst
zu Gott erklärt, bleibt Gott immer noch ein Thema.
4.0 Religionskritik Sigmund Freuds (1856 - 1938)
Religion ist eine lllusion. Sie soll den Menschen zu einem sozial
akzeptablen Verhalten führen. Ähnlich wie das Über-Ich
ist Religion nur eine Hilfskonstruktion und kann destruktive Züge
annehmen.
4.1 Mögliche Kritik der Kritik
Wo Gott als bestrafender Richter/Polizist zum Erziehungsmittel
degeneriert, ist Freuds Kritik angebracht. Insofern spricht Freud
nicht gegen die Möglichkeit Gottes sondern nur gegen illusorische
Gottesbilder.
5.0 Religionskritik John Tolands (1670 - 1722)
Religion basiert auf einem Betrug der Priester. Diese verdienen
gut daran und haben daher ein lebhaftes Interesse, religiöse
Auffassungen im Umlauf zu halten.
5.1 Mögliche Kritik der Kritik
Auch diese Kritik trifft einen Teilaspekt der Religion: Materielle
Interessen können nicht ganz ausgeschlossen werden. Damit ist
aber noch nicht das gesamte Phänomen religiöser Sinnsuche
erklärt.
6.0 Religionskritik Rudolf Carnaps (1891 - 1970)
Über Unbeweisbares zu reden ist unvernünftig. Der Mensch
sollte sich nicht mit der Spekulation über Dinge aufhalten
die weder bewiesen noch widerlegt werden können. Man möge
sich auf das beschränken was in Raum und Zeit erkennbar und
beweisbar ist.
6.1 Mögliche Kritik der Kritik
Im Sinne des Positivismus blieben viele wesentliche Lebensbereiche
ungeklärt, weil unser ganzes Sprechen von Hoffnung, Liebe,
Sinn usw. nach positivistischer Definition nicht beweisbar und daher
unvernünftig wäre. Damit werden wesentliche Bereiche menschlicher
Erfahrung wegrationalisiert.
7.0 Jean-Paul Sartre (1905 - 1980)
Der Gebrauch der Gottesvorstellung ist nur eine Entlastung oder
eine Flucht vor der absoluten Freiheit und Verantwortung des Menschen.
7.1 Mögliche Kritik der Kritik
Nach christlicher Auffassung raubt Gott dem Menschen nicht die
Freiheit, wie Sartre meint, sondern ermöglicht sie erst. Glaube
begründet erst Freiheit und Verantwortung.
8.0 Weiterführende Überlegungen
· Wie sehen die Religionskritiker Ursprung und Wesen der Religion?
· Wie erklären sie sich die Tatsache eines Gottesglaubens?
· Wo ist die Kritik berechtigt und wo beruht sie auf Missverständnissen?
Vgl. F. Moser u.a., Religion BHS 5, Im Garten des Lebens, 74f
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