Echnaton - Begründer des Monotheismus?
1.0 Götter im alten Ägypten
Eine Vielzahl von Göttern bestimmt das Leben der Menschen
im alten Ägypten. Jede Stadt besitzt ihren Stadtgott. Für
jeden Lebensbereich gibt es eigene Gottheiten: So wird Ptah als
der Gott der Handwerker verehrt, Thoth beschützt die Schreiber
und Month ist der Herr des Krieges. Manche Götter haben auch
landesweite Bedeutung erlangt. So wacht Amun, der »Gott des
Verborgenen«, von der Hauptstadt Theben über ganz Ägypten.
In Verbindung mit dem Sonnengott Re wird er als Amun-Re als größter
aller Götter angesehen. Die Tempel der Götter sind nur
für die Priesterschaft und auserwählte Adelige zugänglich.
An großen Festen ist jedoch auch das einfache Volk seinen
Göttern nahe, wenn die Statuen der Götter durch die Straßen
getragen werden.
1.1 Amenophis IV.
In dieser religiös vielfältigen Epoche wird Amenophis
IV. als jüngerer Sohn des Pharaos Amenophis III. und seiner
Gemahlin Teje geboren (um 1380 v.Chr.). Sein Vater Amenophis III.
hat das Land zu Wohlstand geführt und Ägypten ist die
bedeutendste Macht der Welt. Nach dem Tod seines Bruders Thutmosis
wird Amenophis IV. der neue Kronprinz. Um 1350 v. Chr. besteigt
er schließlich mit Nofretete als Gemahlin an seiner Seite
den Thron. Der Beginn seiner Regentschaft steht unter dem Segen
des Reichsgottes Amun. Doch schon früh lässt der neue
Pharao erkennen, wem seine Gunst gilt: Nicht Amun und den anderen
Göttern, sondern Aton, dem Gott der durch die Sonnenscheibe
personifiziert wird, gilt seine besondere Vorliebe.
2.0 Eine religiöse Revolution
Schon bald nach seinem Regierungsantritt wendet sich Amenophis
IV. vom vorherrschenden Polytheismus ab. Während bisher die
Wirklichkeit auf das Zusammenwirken verschiedener Götter zurückgeführt
wurde, gibt es für den Pharao nur einen wahren Gott –
Aton. So erhebt Amenophis IV. in seinem 4. Regierungsjahr den Gott
der Sonnenscheibe zum Götterkönig. Sich selbst sieht der
Pharao als Menschwerdung des neuen Reichsgottes an. Zu Beginn des
religiösen Umbruches sind noch andere Götter erlaubt –
der neue Gott Aton ist zwar einzigartig aber (noch) nicht einzig.
Doch der Atonkult nimmt immer größere Ausmaße an.
Symbolisches Zeichen für die religiöse Revolution ist
die Namensänderung des Pharaos. Er nennt sich nun nicht mehr
Amenophis (»Gott Amun ist zufrieden«), sondern Echnaton
(eigentlich Ach-en Aton, »Wirkender Geist des Aton«).
2.1 Achet-Aton - eine neue Residenzstadt
In seinem fünften Regierungsjahr lässt Echnaton eine
neue Residenzstadt im Gebiet Amarna auf zwei Hügeln errichten.
Er nennt sie »Achet-Aton« – der Horizont de Aton.
Dieser neue Regierungssitz soll ganz allein der Huldigung Atons
dienen. Nach der Fertigstellung Achet-Atons verlässt Echnaton
die alte Hauptstadt Theben, um sich ganz der Verehrung Atons zu
widmen.
2.2 Auswirkungen auf die Kunst
Auch in der Kunst wird der Einfluss des Atonkultes erkennbar. Besonders
deutlich ist die Veränderung der Darstellung des Pharaos. Echnaton
wird auf Reliefs und als Statue mit dünnem Hals, überlangen
Armen und Unterschenkeln, extrem breiten Hüften und Oberschenkeln
dargestellt. Es lässt sich nicht erkennen, ob Echnaton Mann
oder Frau ist. Diese geschlechtslose (androgyne) Darstellung hat
einen religiösen Hintergrund: Aton wird gleichzeitig als Vater
und Mutter der Menschen betrachtet. Er vereint sozusagen beide Geschlechter
in sich. Daher muss Echnaton, der Repräsentant Atons auf Erden,
ebenfalls ohne Geschlecht erscheinen. Auch die Familie Echnaton
rückt künstlerisch gesehen in ein neues Licht. Sie wird
als Heilige Familie dargestellt, auf welche die Güte Atons
herabfällt.
2.3 Das Verbot des Polytheismus
Obwohl Aton in der Gunst des Pharaos eindeutig am höchsten
steht, hat Echnaton bisher die übrigen Götter zumindest
noch geduldet. Am stärksten davon betroffen ist der größte
Konkurrent Atons – der frühere Reichsgott Amun. Sein
Name wird aus Tempelwänden und Reliefs ausgemeißelt und
aus Briefen des Staatsarchivs entfernt. Echnaton lässt sogar
seinen Geburtsnamen Amenophis auf Denkmälern unkenntlich machen.
Weiters werden tiergestaltige Symbole der Gottheiten vernichtet.
Es kommt zu einem regelrechten Bildersturm.
3.0 Die Folgen
Derartige Maßnahmen bleiben natürlich nicht ohne Folgen.
Es kommt zu schweren Konflikten, die auch wirtschaftliche Hintergründe
haben. So waren die großen Göttertempel blühende
Wirtschaftzentren des alten Ägyptens. Die starke Bevorzugung
und spätere Alleinigkeit Atons führt neben dem religiösen
Aspekt natürlich auch zur finanziellen Benachteiligung der
Priester, die den anderen Göttern unterstellt sind. Sie werden
ihres ehemals großen Einflusses beraubt und in den Hintergrund
gedrängt. Dies führt letztendlich zur Spaltung der Gesellschaft
in Aton-Verehrer, wie die Adeligen am Hof des Königs, und Aton-Hasser,
vor allem Priester des Gottes Amun.
3.1 Das diesseitige Jenseits
Für das einfache Volk hat dieser erzwungene Monotheismus ebenfalls
große Auswirkungen. Obwohl sie heimlich noch den alten Traditionen
treu bleiben und die Götter verehren, dürfen sie sich
öffentlich nicht mehr zu ihrem Glauben bekennen. Die Tempel
der alten Götter werden geschlossen und die Feste werden eingestellt.
Auch Opfergaben für die Toten werden verboten. Dadurch wird
dem Volk der zentralste Teil seiner Religion genommen – die
Mystik und das Jenseits. Im neuen Atonkult gibt es keine Auferweckung
der Toten durch den Gott Osiris in der Unterwelt mehr. Auch mythische
Bilder und Geschichten sind kaum vorhanden. Der Kernpunkt in Echnatons
Glauben wird das Leben und die Natur selbst, die ja Aton als Sonnenscheibe
verkörpert. Das Diesseits tritt in den Vordergrund und das
Jenseits verblasst immer stärker. Echnaton sieht Gott als eine
kosmische Macht an, die sich als Sonne und Licht den Menschen mitteilt.
3.2 Die Rückkehr zum alten Glauben
Im Jahr 1334 v.Chr. stirbt Echnaton. Sein monotheistischer Atonkult
hat keinen Bestand. Von späteren Generationen wird die Regentschaft
Echnatons als eine Zeit der Finsternis empfunden, eine Zeit, in
der es verboten war, die Götter zu verehren. Es wird versucht,
die Spuren des »Ketzerkönigs« zu verwischen. Die
Tempelstadt Achet-Aton wird auf Geheiß von Tut-anch-Amun,
einem Nachfolger Echnatons, zerstört und die Rückkehr
zum alten Glauben angeordnet. Echnatons Vision, einen monotheistischen
Glauben durchzusetzen gerät in Vergessenheit, gescheitert an
der Wurzel der Religion – eine Beziehung zwischen den Menschen
und ihrem Gott aufzubauen.
Nina Gruscher (Mai 2003, 2AKO)
Quelle: Bild der Wissenschaft, Ausgabe 11/ 2002, Artikel: Michael
Zick, Echnaton - Zwischen Lichtgestalt und Ungeheuer, sowie
weitere Informationen
über den religiösen Reformer Echnaton.
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