Biofeedback - Das »Yoga des
Westens«?
1.0 Leroy Parker - Ein hoffnungsloser Fall?
Leroy Parker, 25 Jahre alt, Strafgefangener im Ellsworth-Gefängnis des
US-Bundesstaats Kansas, hat eine typische Ghetto-Kid-Karriere
hinter sich: aufgewachsen mit vier Geschwistern bei seiner alleinerziehenden
schwarzen Mutter, erster Kontakt mit Drogen, als er elf Jahre alt
war, Straßendealer mit zwölf, Erfahrungen mit Marihuana,
Heroin, Crack, diversen synthetischen Drogen, zusätzlich Alkoholmissbrauch
- ganz genau weiß er es selbst nicht mehr, wie die Reihenfolge war.
Mit 18 wurde es das erste Mal beim Autodiebstahl erwischt und
verurteilt, ab dann pendelte er zwischen den Gefängnis und einer
»Freiheit« hin und her, die für ihn aus Drogen, Schlägereien,
Raubüberfällen und Diebstahl bestand. Leroy Parker wird
voraussichtlich in wenigen Wochen auf Bewährung aus dem Gefängnis
entlassen werden.
1.1 Gehirnwellentraining
Er sitzt in einem überdimensionalen, weich gepolsterten Sessel
und ist »verkabelt«, an Apparate angeschlossen, die
das Muster seiner Gehirnwellen eine Sitzung von 45 Minuten lang
aufzeichnen. Es ist der zehnte Tag seines Gehirnwellentrainings.
Er hat gelernt, sich zu entspannen, und versucht, mit Hilfe von
Meditationsübungen in tiefere Bewusstseinszustände hineinzugelangen,
um neue Erfahrungen mit sich selbst zu machen.
Leroy Parker ist einer von 100 durch das Zufallsprinzip ausgewählten
Ellsworth-Strafgefangenen, die als Teil des Rehabilitationsprogrammes
neben konventioneller Drogentherapie und einem psychologisch orientierten
Trainingsprogramm ein siebenwöchiges Alpha/Theta-Gehirnwellentraining
mitmachen. Leise surren Apparate und Computer im »Life Sciences
Institute of Mind-Body Health«, das vier ehemalige Wissenschaftler
der weltberühmten Menninger-Klinik gegründet haben. Das
staatlich geförderte Strafgefangenen-Training ist einer ihrer
Schwerpunkte.
Dr. Patricia Norris, Dipl.-Psych. mit langjähriger
Erfahrung in der Arbeit mit Gefangenen: »Das Gehirnwellen-Training
ist eine Variante der Biofeedback-Methode, bei der es in diesem
Fall gilt, den Teufelskreis von Sucht und Kriminalität zu durchbrechen.
Die Gefangenen lernen, dass sie es sind, die ihren Körper und
später auch ihr Leben kontrollieren.
Wer durch Übungen gelernt hat, seine Muskeln zu entspannen, Stress zu reduzieren und
willentlich veränderte Bewusstseinszustände über
die Übungen des Gehirnwellen-Trainings zu erreichen, der hat
wichtige Schritte gemacht, seine Drogenabhängigkeit in den
Griff zu bekommen. Der Impuls, wieder Drogen zu konsumieren, wird
schwächer und dadurch beherrschbar, die Gefangenen können
mehr und mehr Verantwortung für sich selbst übernehmen.«
Die Chancen für Leroy, nicht mehr rückfällig zu
werden, beurteilt sie optimistisch.
1.3 Soziale Muster und Muster im EEG
Wie beinahe alle Suchtkranken, egal ob die Droge Alkohol oder Kokain
heißt, hatte er anfangs keinen Zugang zu seinem eigenen »Selbst«,
er wusste nicht einmal, dass es eine Persönlichkeit in ihm
gab, jenseits der schnellen Kicks. Eine Persönlichkeit, die
Spaß haben konnte, Lebensfreude, Erfolg, Selbstkontrolle,
inneren Frieden. Sein Leben war nach einem scheinbar unkontrollierbarem
und mit Gewalt verbundenen Programm »von außen«
abgelaufen: Drogen beschaffen - Drogen verkaufen - Drogen konsumieren
- Gewalt und Kriminalität.
Alkoholabhängige und Drogensüchtige haben – unabhängig
davon, ob sie straffällig werden oder weiter einem normalen
Job nachgehen – gemeinsame typische Kennzeichen in ihren durch
das EEG aufgezeigten Gehirnwellenmustern, stellten die amerikanischen
Gehirnforscher fest: Im Wachzustand produzieren sie fast ausschließlich
Beta-Gehirnwellen. Alpha- und Theta-Wellen, Anzeichen für tiefere
Zustände des Bewusstseins, fehlen weitgehend.
2.0 Gehirnwellen als Thema der Forschung
Mit den griechischen Buchstaben bezeichnen Wissenschaftler seit
den Anfängen der Gehirnwellenforschung in den zwanziger Jahren
unseres Jahrhunderts vier verschiedene Gebiete auf ihren Diagrammen,
wo die Messwerte in gezackten Linien dargestellt werden. Gemessen
werden die Veränderungen der elektrischen Ströme im Gehirn,
die im Zusammenspiel mit den biologischen Prozessen ablaufen. Die
Höhe der spitzen Zacken, in der Fachsprache »Peaks«
genannt, ist ein Maß für die Intensität der Wellen,
die sich zudem in der Frequenz (in Hertz gemessen) unterscheiden.
Diese Messung, ein Kontrollinstrument für die Gehirntätigkeit,
wurde Elektroenzephalogramm, abgekürzt EEG, genannt.
2.1 Alpha- und Beta-Wellen
Wenn das Bewusstsein hellwach und auf ein Gespräch, das Lesen
eines Buches oder andere Aufgaben, wie etwa das Einparken eines
Autos, konzentriert ist, dominieren bei gesunden Menschen die Beta-Gehirnwellen
(14 bis 32 Hertz).
Der Alpha-Zustand (8 bis 13 Hertz) tritt in der
Regel ein, wenn wir unsere Augen schließen und abzuschalten
beginnen. Die Gehirnforscher schätzen, dass 90 Prozent der
Bevölkerung Hunderte von Malen täglich für sehr kurze
Zeiten vermehrt Alpha-Rhythmen produzieren, wenn sie für ein,
zwei Sekunden die Augen schließen oder ihre Aufmerksamkeit
auf ein inneres Bild richten. Oder bei einem Tagtraum, bei dem die
Augen durchaus geöffnet sein können. Wenn während eines
Vortrags die Augen der Zuhörer »starr« werden und
ins Unendliche gerichtet sind, kann der Redner davon ausgehen, dass
die Zuhörer zwar seine Stimme noch wahrnehmen, aber nicht mehr
mitbekommen, was gesagt wird.
Sie sind im Alpha-Zustand. Auch bei
meditativen Zuständen dominieren häufig Alpha-Wellen.
2.2 Theta-Wellen
Noch weiter von der Außenwelt entfernt, z. B. in einer tiefen
Meditation, sind Menschen im Theta-Zustand, wo die Wellen zwischen
4 und 7 Hertz besonders ausgeprägt sind. Körper, Emotionen,
Seele und Verstand sind ruhig, die meisten Menschen bezeichnen diesen
Zustand als »schläfrig«. Ungeübte Meditierende
schlafen in diesem Zustand in der Tat ein, weil sie ihr Bewusstsein
nicht mehr wachhalten können. Wer die Erfahrung der Tiefenmeditation
nicht kennt, erfährt den Theta-Zustand vielleicht kurz vor
dem Einschlafen, wenn aus unbekannten und unbewussten Quellen überraschende
Bilder auftauchen, die im Gegensatz zum Tagtraum nicht über
das Bewusstsein zu steuern sind. Der Theta-Zustand ist die Öffnung
zum Unbewussten und gleichzeitig die Tür zur Kreativität.
2.3 Delta-Wellen
Wo die Delta-Gehirnwellen (0,5 bis 3 Hertz) signifikant auftreten,
wird im allgemeinen angenommen, dass der Mensch schläft oder
wortwörtlich »bewusst-los« ist, was aber hier nicht
identisch mit einer Ohnmacht ist. Delta-Wellen werden in der Hauptsache
im Schlaf gemessen. In den letzten Jahrzehnten hat sich auch eine
benachbarte Disziplin der Gehirnforschung stürmisch entwickelt,
die sich unter anderem mit der Entstehung von Hormonen und den sogenannten
Neuropeptiden beschäftigt. Beide entstehen in außerordentlich
geringen Mengen im Gehirn und übernehmen, durch die Blutbahnen
verteilt, vielfältige steuernde Funktionen im Körper.
Das reicht vom Abstellen von Schmerzempfindung durch die sogenannten
körpereigenen Opiate bis zur Auslösung des natürlichen
Extasezustandes, des Orgasmusgefühls.
Die Befehle, die diese
Stoffe »übertragen«, sind ein wesentlicher Teil
des Stoffwechsel-Managements im Körper und spielen deshalb
eine überaus wichtige Rolle, auch für die körpereigene
Abwehr, das Immunsystem. Die Selbstheilung des Körpers hängt
so entscheidend ab vom Gehirn, mit seinen 100 bis 100 Milliarden
Neuronen und 100 Billionen von Schaltstellen und Synapsen das komplizierteste
Organ im gesamten Reich der Lebewesen.
3.0 Hirnströme und biochemische Prozesse
Bei der Entstehung der Hormone und anderer »Botenstoffe«
ablaufende biochemische Prozesse im Gehirn sind aber weder von der
Aktivierung der Region, wo sie entstehen, noch von den Veränderungen
der Gehirnwellentätigkeit in diesen Regionen zu trennen. Anders
ausgedrückt: Durch die willentliche Veränderung der Gehirnwellen
ist die Aktivierung der körpereigenen Apotheke möglich,
die auch das Verlangen des Körpers nach Drogen mindert und
das Suchtverhalten verändern kann.
Leroy Parker und die anderen
Suchtkranken lernen, dass sie über die Kontrolle ihrer Gehirnwellen
Entspannung, Freude, Frieden in sich selbst finden können,
ohne Alkohol und Kokain. Über den Kopfhörer empfangen
sie ein sogenanntes »Feedback«, eine
Rückmeldung - in diesem Fall einen hellen Brummton, wenn sie
bei der Meditation in den Alpha-Zustand gehen, einen tieferen Ton,
wenn sie den noch tieferen Theta-Zustand erreichen. Je kontinuierlicher
die beiden Töne erklingen, desto dauerhafter haben sie die
gewünschten Bewusstseinszustände erreicht.
4.0 »Train the Brain« - Resultate
und Perspektiven
Nach dem siebenwöchigen, beinahe täglichem Training sollten
sie die Apparate nicht mehr brauchen, sie werden gelernt haben,
auch ohne maschinelles Feedback die verschiedenen Zustände
ihres Bewusstseins, ihres Selbst, willentlich aufzusuchen und zu
steuern. Sie haben dann eine bessere Chance denn je, in Zukunft
ihr Leben ohne Drogen und Kriminalität zu meistern: Hatten
die suchtkranken Strafgefangenen anfangs praktisch ausschließlich
Beta-Wellen produziert, waren die Wissenschafter mit wenigen Wochen
des Alpha/Theta-Gehirnwellen-Trainings in der Lage, ihnen beizubringen,
willentlich Alpha- und Theta- Bewusstseinszustände zu erreichen.
Dabei hatte sich wortwörtlich etwas im Kopf ihrer Klienten
verändert. Das ergaben die ersten Studien aus den Jahren 1994
bis 1996: Erstaunlich wenige wurden mit Drogen rückfällig,
und auch Einstellung und Verhalten ihren Familien und der Gesellschaft
gegenüber hatten sich verbessert. Obwohl die staatlichen Behörden
strenge Maßstäbe an den Erfolg stellten. Als erfolgreich
therapiert galten nur diejenigen Personen, die »clean«
blieben – dies wurde durch Urin- und Blutproben regelmäßig
untersucht – und sich zusätzlich in keiner Weise etwas
zuschulden kommen ließen. Kündigungen im Job oder Strafmandate
wegen zu schnellen Autofahrens während der Bewährung wurden
bereits als Vergehen eingestuft, was in die Statistik des Resozialisierungs-Programms
als Scheitern einging.
Die 68prozentige Erfolgsquote des neuen Programms war eine Sensation.
Es zeigte sich, dass die kombinierte Drogentherapie mit Gehirnwellen-Training
dreimal so erfolgreich war wie die konventionelle Therapie allein,
die eine aus 80 Gefangenen bestehende Kontrollgruppe durchlief.
Das gezielte Alpha/Theta-Gehirnwellen-Training ist aber beileibe
nicht nur für Alkoholabhängige und Drogenkranke –
auch hierzulande – eine Chance für ein »zweites
Leben«. Wer gesund ist, kann über den Alpha- und Thetazustand
einen schnelleren Zugang zu seinem eigenen kreativen Potential finden.
Oder Millionen deutscher Schmerzpatienten, vor allem mit chronischen
Beschwerden – eine der typischen Krankheitsformen unserer
Zeit – haben die Möglichkeit, über das
Gehirnwelleln-Training mit Feedback ihre Schmerzen »in den
Griff« zu bekommen oder gar ganz abzustellen. Denn wer gelernt
hat, über den Bewusstseinszustand seine Gehirnwellen und damit
die Gehirnchemie zu kontrollieren, kann das Schmerzempfinden im
eigenen Körper »steuern«.
5.0 Weitere Forschungsprojekte
5.1 Schmerzsteuerung
Dr. Patricia Norris war bereits an der renommierten Menninger-Klinik
mit dabei, als ihr Vater Elmer Green die ersten bahnbrechenden Untersuchungen
dazu mit dem prominenten amerikanischem Heiler Jack Schwartz durchführte.
Wie viele Heiler verfügte auch der über eine Reihe von
Möglichkeiten, »außergewöhnliche Kräfte
und Fähigkeiten« einem staunendem Publikum zu demonstieren.
Eine seiner Vorführungen, mehrfach auch vor Ärzten und
Wissenschaftlern, bestand darin, mit einer 15 Zentimeter langen
Nadel durch den Bizeps seines Oberarmes zu stechen. Als er gerade
im Labor verkabelt worden war, damit – neben anderen Parametern
– seine Gehirnwellentätigkeit dabei gemessen würde,
fiel eine der Nadeln versehentlich auf den Boden. Auf die Frage
der Wissenschaftler, ob die Nadel jetzt sterilisiert werden solle,
antwortete Jack Schwartz zu ihrer Verblüffung: »Nein,
nein, ich sterilisiere meine Nadeln oft, indem ich sie einfach unter
meinen Schuhsohlen ein paarmal hin- und herrolle...«
Während dieser Unterhaltung und der gesamten Vorbereitungszeit produzierte
er Beta-Gehirnwellen, so wie man es von jedem Menschen in dieser
Situation erwarten würde. In dem Moment aber, als er die Nadelspitze
an seinem Bizeps ansetzte, wurde im Gehirnwellendiagramm das Einsetzen
von Alpha-Wellen sichtbar. Als die Nadel den Oberarmb durchstochen
hatte, bestanden 60 (!) Prozent der gesamten Hirnwellentätigkeit
aus Alpha.
Für die beteiligten Wissenschaftler machte es sofort Sinn,
zur Kontrolle und Steuerung von Schmerz in den Alpha-Zustand zu
gehen, weg von Schmerz und Verletzung, nach innen in einen meditativen
Bewusstseinszustand. Ein späterer Vergleich mit einem peruanischen
Heiler zeigte, dass dieser sich exakt derselben Methode bediente.
Wenn Ramon Torres sich zu Demonstrationszwecken eine Fahrradspeiche
durch die Wange stieß, traten fast ausschließlich Alpha-Gehirnwellen
auf. Beta-Wellen erschienen erst wieder in relevanten Mengen, nachdem
er die Speiche ganz herausgezogen hatte.
So war es bei Jack Schwartz, so wurde es bei indischen Yoga-Meistern in
anderen Labors gemessen, die nicht aus dem Alpha-Zustand während
einer Meditation herausgingen, auch dann nicht, wenn glühendheiße
Gegenstände auf ihren Körper gelegt wurden.
Die »heiligen Männer« aus Indien waren so weit
von dieser Welt entrückt, dass sie die Hitze gar nicht wahrgenommen
hatten. Jack Schwartz ging aber noch weiter: Er war in der Lage
zu steuern, ob die Wunde an seinem Oberarm bluten sollte oder nicht.
Und vor allem: Er konnte seine Verletzungen zur Überraschung
der Ärzte, die die Experimente begleiteten, innerhalb von 72
Stunden komplett zuheilen lassen, ohne dass je eine Narbe zurückblieb.
Trotz seiner eigenwilligen »Desinfektionsmethode« per
Schuhsohle haben sich seine Stichwunden auch nie entzündet.
Die Kontrolle von Schmerzen ist über die Kontrolle des Bewusstseins
möglich. Bei Krankheiten haben Schmerzen natürlich eine
nützliche Funktion als Signal des Körpers, der mitteilt,
dass etwas nicht in Ordnung ist. »Wenn der Alarmruf des Körpers«,
so Jack Schwartz, »bei Krankheiten oder Verletzungen in Form
von Schmerzen Bescheid gesagt hat, dann ist das für mich wie
ein Wecker, den ich abstellen kann. Zuerst müssen die Schmerzen
abgestellt werden, denn solange sie da sind, kann man keinen klaren
Gedanken fassen, was zu tun ist, um gesund zu werden.« Indische
Yogis, die noch nie etwas von Gehirnwellen oder Alpha- und Theta-
Zuständen gehört hatten, demonstrierten wieder und wieder
ihre Fähigkeit, in genau diese Zustände hineinzugehen,
wenn sie außerordentliche Leistungen körperlicher Selbstkontrolle
zeigten.
5.2 Spirituelle Traditionen und modernes Know-How
Ob Yogis, Schamanen oder Heiler - ihre diesbezüglichen Praktiken
wurden in der Regel über Jahrhunderte hinweg nach und nach
entwickelt, um eben in andere Bewusstseinszustände zu kommen,
die ihnen eine Palette von Möglichkeiten eröffnen. Das
geht von Körperbeherrschung, die Wissenschaftlern und Medizinern
ausgeschlossen erscheint, bis zu Trancezuständen, in denen
sie Heilungen vollbringen. Indische Yogis haben häufig für
westliche Forscher völlig fremdartige Beschreibungen für
die Zustände, die sie mit Hilfe ihrer aus dem Sanskrit überlieferten
Yogaübungen erreichen.
Eine der Testpersonen, Swami Rama, beschrieb
es als »im Inneren ein großes Objekt visualisieren,
einen blauen Himmel mit kleinen weißen Wolken, die gelegentlich
vorbeitreiben« - und produzierte fünfzehn Minuten lang
überwiegend Alphawellen während dieser Meditation. Als
die Wissenschaftler mit ihren Messgeräten bei einer anderen
Meditationsform überwiegend Theta-Gehirnwellen feststellten,
lautete die Sanskrit-Erklärung des Yogis: »Das Bewusstsein
zum Schweigen und das Unbewusste nach vorn bringen.« Damit
konnten die westlichen Forscher viel mehr anfangen, weil sie bereits
aus anderen Untersuchungen wussten, dass im Theta-Zustand die Tür
zum Unbewussten offensteht.
In Indien fanden sie auch, unterwegs auf Vortragsreisen mit dem
transportablen Biofeedbackgerät, einen Physiker, der sie nach
ihrem Vortrag an einer Universität ansprach und meinte, er
habe ihre Schilderung über Selbstkontrolle und Bewusstseinszustände
verstanden und sei interessiert daran, sich als Testperson zur Verfügung
zu stellen. Zur Überraschung der Forscher stellte sich bei
der Messung seiner Gehirnwellen heraus, dass er in der Lage war,
willentlich von einer Minute auf die andere vom Beta- in den Alpha-Zustand
zu gehen, dann in den Theta-Zustand und wieder zurück in Alpha.
Was immer sie ihm vorschlugen - nachdem er einmal verstanden hatte,
welcher Bewusstseinszustand mit Alpha und Theta gemeint war, konnte
er beliebig zwischen ihnen hin- und herwechseln, Alpha- oder Theta-
oder Betawellen produzieren.
Als Erklärung führte der Mann an, er habe in seiner Jugend
einen Guru kennengelernt, der ihn in die Kunst des Meditierens eingeführt
und ihn gelehrt habe, »nach innen zu gehen, in den Ort der
Stille, wo der Geist zuhause ist und wo die Fragen beantwortet werden
können«. Seitdem habe er sein Leben lang verschiedene
Meditationen täglich praktiziert, und gerade der Zustand, der
mit Theta bezeichnet werde, sei ihm besonders wichtig. In diesem
Zustand, in dem er Zugang zum Unbewusstem habe, sei er in der Lage,
auch die kompliziertesten mathematischen Probleme zu lösen.
Für seine Dissertation in Physik habe er die Bildersprache
dieses Bewusstseinszustandes systematisch für Problemlösungen
angewandt. Auch heutzutage in seinem Beruf, wenn er schwierige Fragen
beantworten müsse, begebe er sich in genau diesen Zustand und
fände die Antworten durch Analyse der auftauchenden Bilder.
Die Testperson, so stellte sich heraus, war Dr. Rama Sharma, Leiter
des Biophysikalischen Instituts an der Universität Chandigarh.
(...)
5.3 »Heiler« im Licht des EEG
Auch bei Heilern, das ergab eine Untersuchungsreihe an der Menninger-Klinik,
wurde während der Behandlung von Patienten ein hoher Anteil
von Theta-Wellen gemessen. Daneben fanden die Wissenschaftler bei
den 14 untersuchten eine überraschende Gemeinsamkeit, die sie
ausschließlich bei Heilern feststellten: Beim Handauflegen
wurde bei sämtlichen ein außergewöhnlich hoher Anteil
von Delta-Gehirnwellen festgestellt. Bei keiner Person aus der Kontrollgruppe
wurde dieses »Heiler-Phänomen« jemals im EEG gesehen.
Im EEG eines gesunden Erwachsenen treten Delta-Wellen in relevanten
Mengen praktisch nur im Schlaf auf. Die Heiler
waren aber bei der Arbeit mit Patienten völlig wach und konzentriert,
obwohl sie aufgrund des Delta-Wellen-Anteils eigentlich schlafen
müssten. Aus dieser überraschenden Tatsache schließt
Dr. Steven Fahrion, der nach Jahren an der Menninger-Klinik heute
zusammen mit seiner Frau Patricia das »Life Sciences Institute«
leitet, dass »Heiler im Wachzustand mehr als andere Personen
in Kontakt mit ihrem tiefsten Unterbewussten sind, mit dem Teil
ihrer Natur, von dem der Normalbürger wenig bis gar nichts
weiß und womit er, wenn überhaupt, nur im Schlaf und
Traum in Berührung kommt«
Dr. Fahrion war auch einer der ersten, die den Verlauf der
Gehirnwellen-Veränderung während der Behandlung gleichzeitig
bei einem Heiler und seinem Patienten analysierte. Das Ergebnis:
Zuerst traten vermehrt Alpha- und Delta-Wellen beim Heiler auf,
dann beim Patienten, so als ob er das Gehirnwellenmuster des Heilers
übernommen hätte. Beide waren buchstäblich »auf
derselben Wellenlänge«. Japanische Wissenschaftlicher
bestätigten vor kurzem dieses Ergebnis und konnten zeigen,
dass nicht nur eine Synchronisation der Gehirnwellen Heiler/Patient
eintritt, sondern darüber hinaus im Verlauf der Behandlung
bei beiden auch dieselben Gehirnregionen aktiviert werden. Die beiden
Gehirne hatten sich einander angeglichen, wobei der Heiler jeweils
sowohl die Veränderungen der Gehirnwellen als auch die
dazugehörigen Gehirnregionen quasi vorgegeben hatte. (...)
Machen wir uns an dieser Stelle noch einmal bewusst, dass Gehirnaktivität
und Biochemie des Gehirns zusammenhängen und durch die Ausschüttung
von Hormonen, Neuropeptiden und anderen Botenstoffen beim Heilungsprozess
des Körpers eine eminent wichtige Rolle spielen. So können
wir am Ende der neunziger Jahre unseres Jahrhunderts gerade erst
erahnen, welch eine Schatzkiste für die willentliche Aktivierung
unserer »körpereigenen Apotheke« uns mit dem Alpha/Theta-Gehirnwellentraining,
dieser Variante des Biofeedbacks, zur Verfügung steht.
Vgl. Esotera 10/97, Dagny Kerner und Imre Kerner. Die Überschriften
wurden eingefügt.
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