› Selbstheilung - Einsichten der Psychoneuroimmunologie

1.0 Naturheilkunde versus technik-orientierte Medizin

Das Wirken der Selbstheilungskräfte, deren Förderung und Lenkung bildet die Grundlage aller seriösen naturheilkundlichen Theorie und Praxis. Damit steht die Naturheilkunde in einer Art Opposition zur eingreifenden technikorientierten Medizin.

Die moderne Medizin misstraut den Seibstheilungskräften. Denn mit ihrem »geheiligten« Bewertungsmaßstab, dem Doppelblindversuch, sollen die Eigenkräfte des Organismus systematisch (statistisch) eliminiert werden: als unerwünschte Störfaktoren bei der Bewertung des äußeren medizinischen Eingreifens. Man möchte damit die Wirkungen des eigenen Eingreifens in die Krankheits- und Heilungsabläufe wissenschaftlich korrekt, d.h. ohne Störung durch subjektive und natürliche Heilungsvorgänge, objektiv, eindeutig darstellen.

Die eindrucksvollen Erfolge der modernen Medizin, vor allem bei akuten, schweren Krankheiten, haben zu einer gewissen Herabsetzung der Naturheilverfahren und damit der Selbstheilungskräfte geführt. Die Naturheilkunde schien dadurch einige Jahrzehnte lang ins Hintertreffen zu kommen. Inzwischen ist allerdings die eingreifende Medizin selber in eine zweiseitige Krise geraten:

Einerseits in die subjektive Krise widerwilliger Akzeptanz bei vielen Patienten. Andererseits in die höchst objektive, nämlich ökonomische Krise der zunehmenden Kosten, genauer: der drohenden Unbezahlbarkeit. Die Expansion der eingreifenden Medizin scheint selbst für unsere materielle, reiche Gesellschaft nicht mehr bezahlbar - das heißt doch: untragbar zu sein. Was nützt aber die angeblich beste materielle Medizin, wenn sie sogar von einer materiell überreichen Gesellschaft nicht mehr bezahlt werden kann? Zumal der materielle Reichtum dieser Gesellschaft ohnehin nicht verdient wurde, sondern aus rücksichtsloser Ausbeutung der Ökosysteme – und auf Kosten künftiger Generationen – gepresst wird?

Die Krise der modernen Medizin sitzt ebenso tief wie die Krise der modernen Gesellschaft: sie hat ihre Grundlagen vergessen. Die Grundlage der modernen Gesellschaft war einmal humane Kultur. Die Grundlage der modernen Medizin war einmal die Naturheilkunde. Längst vergessen - oder vernachlässigt unwirklich geworden? In der gegenwärtigen Menschheitskrise – die mehr noch als Tanz am Abgrund erscheint – wird die Besinnung auf die natürlichen Selbstheilungskräfte wieder sehr wichtig - in Medizin und Gesellschaft.<

Soll die Förderung der Selbstheilungskräfte jetzt empfohlen werden, weil das Geld für die synthetische Medizin nicht mehr reicht? Das wäre krämerhaft töricht. Selber habe ich schon für die Selbstheilungskräfte gearbeitet (und mit ihnen), als die offizielle, technikorientierte Medizin noch dominierend und materiell unangreifbar erschien. Aus dieser Erfahrung heraus sehe ich die heutigen Kosten- samt Orientierungskrise als logische Folge der jahrzehntelangen Entfremdung von Natur- und Selbstheilungsgrundlagen.

Die Förderung der Selbstheilungskräfte ist allein deshalb zu empfehlen, weil sie unverzichtbar wichtig sind, weitaus relevanter als alles Kostengezänk und politische Verordnungen (und übrigens viel billiger). Jahrzehntelang wurden die natürlichen Selbstheiungskräfte missachtet und beschädigt: mit den offensichtlichen Folgen. Inzwischen hat eine neu orientierte Forschungsrichtung, die Psychoneuroimmunologie, mit analytischen Methoden altes Heilwissen bestätigt.

2.0 Die Bedeutung des Immunsystems

Die unersetzliche Bedeutung des eigenen Immunsystems wurde spätestens mit der AIDS-Problematik überdeutlich: die Zerstörung immunkompetenter Lymphzellen durch die HI-Virus-Infektion kann durch, die potentiellen Antibiotika und Chemotherapien nicht ersetzt werden. Die Kranken versterben schließlich an Tumoren oder Infektionen. Für das eigene Immunsystem, für die Selbstheilungskraft gibt es keinen äquivalenten äußeren Ersatz, nichts Besseres. Allerdings haben auch die Selbstheilungskräfte ihre natürlichen Grenzen. Da können synthetische Mittel durchaus ihre Berechtigung finden und ebenfalls ihre, Grenzen, wenn die Selbstheilungskräfte aus dem Immunsystern nicht dazukommen. Missbrauch von Antibiotika (bei banalen Infekten) schwächt die Immunfunktionen aus Mangel an Training.

Tatsächlich sind die Immunfunktionen der Menschen, die in einer technik- und chemiegeprägten Umwelt leben müssen, nicht optimal: Unterfunktionen des Immunsystems (Anfälligkeit für Infektionen und Tumorkrankheiten) finden sich ebenso wie Überfunktionen (Allergien und Autoimmunkrankheiten). Die Orientierung des Immunsystems scheint gestört.

2.1 Der Einfluss der Psyche

Die Psychoneuro-Immunologie lehrt uns dazu, dass Immunstörungen nicht allein auf der körperlichen Ebene entstehen: Das Immunsystern wird auch vom Empfinden, Fühlen und Denken – fördernd oder hemmend –beeinflusst. So schwächen Depressionen, Versagungsängste oder auch Einsamkeit das Immunsystem. Hingegen werden die Immunfunktionen von Lebensfreude, Gelassenheit, Fröhlichkeit und Liebe gefördert. Weiterhin scheint einseitiger (übermäßig selbstbezogener) Egoismus zu Überreaktionen, zu Autoimmunreaktionen zu führen, die schließlich das Immunsystem erschöpfen.

Die Verknüpfung von so subjektiven, emotionalen Qualitäten wie Fröhlichkeit und Liebe oder Egoität und Neid mit körperlichen objektivierbaren Funktionen stößt beinharte, etablierte Materialisten verständlicherweise ebenso ab, wie etwa das Weihwasser den Teufel. Tatsächlich ist die Verknüpfung von Empfinden und Denken mit dem Immunsystem nüchterne körperliche Realität. Wir sollten mehr Wissen darüber gewinnen, um es sinnvoll, lebensorientiert zu nutzen.

Die Psychoneuroimmunologie als neue Forschungsrichtung zeigt mit analytischen Methoden Verknüpfungen des Gehirns mit dem Immunsystem. Damit sind die seit langem intensiv vermuteten und erfahrenen Beziehungen zwischen Seelenleben und Selbstheilungskräften wissenschaftlich sozusagen hoffähig geworden. Die alte naturheilkundliche Lehre von der Selbstheilungskraft des Organismus (wesentlich vermittelt vom Immunsystem) findet damit eine neuzeitliche Bestätigung und Erweiterung. Die Fähigkeit zur Selbstheilung und mehr noch die Gesunderhaltung erfordert ein aktives Immunsystem.

3.0 Das Immunsystems als Schl�sselfaktor

3.1 M�gliche St�rungen

Wenn die Immunfunktionen geschwächt sind, können Tumor- und Infektionskrankheiten entstehen. Andererseits führen Überreaktionen des Immunsystems zu Autoimmunleiden (das Immunsystem greift den eigenen Organismus an). Zu den Autoimmunkrankheiten gehören die Allergien, entzündlichen Nervenerkrankungen (multiple Sklerose) und Darmerkrankungen (Morbus Crohn, Colitis ulcerora), die meisten Rheumaformen und sektoriell auch die Arteriosklerose. Das Immunsystem kann also gesundheitserhaltend heilend, aber auch selber krankmachend wirken (in Form der Autoimmunkrankheiten).

3.2 Regulationsmechanismen

Um den richtigen Weg, die Mitte zwischen zuwenig und zuviel Reaktion – also Gesundheit – zu finden, braucht das Immunsystem Regulation bzw. Moderation. Ein Teil der Regulation erfolgt auf der Ebene des Immunsystems selber, etwa im Gleichgewicht von Helfer- und Suppressorzellen (T4- bzw. T8-Lymphozyten). Diese aktivierenden bzw. dämpfenden Zellsysteme sind vielfältig mit anderen Zellreihen (z.B. Makrophagen, B-Zellen und Killerzellen) vernetzt. Der Informationsaustausch zwischen diesen Zell-Linien erfolgt mittels Interleukinen (Zytokinen) als Botenstoffen. Diese Botenstoffe sind Eiweiße (Peptide), die vom Körper, von den immunologisch aktiven Zellen selber gebildet werden.
Die Zytokine (Botenstoffe) bilden sozusagen Wörter (mit Ausrufezeichen), mit denen sich die immunkompetenten Zellen verständigen: »greif zu!«, »fass«, »nimm«, aber auch »lass los!«, »bleib unbeteiligt«. Also Befehle.

Die Worte, bzw. die Befehle, im Immunsystem sind zunächst isoliert, unmittelbar funktionsorientiert. Übergeordneten Sinn ergibt erst die Verknüpfung der Worte zu einer Sprache. Erst die Sprache, nicht das Wort macht Sinn. Die Sprache ist eine mehr oder weniger sinnvolle Verknüpfung von Worten - zu Sätzen. Die Sprachentwicklung ist am Sinn orientiert und bedarf der Worte.

3.3 Einfluss emotionaler Zustände

Analog ist die Regulation des Immunsystems vorstellbar, durch die Verknüpfung von Zellworten zu Sätzen, zu ganzkörperlichem bzw. ganzheitlichem Sinn. Die Verknüpfung von Zellfunktionen zu ganzkörperlich integrierten Reaktionen erfolgt durch Pläne aus dem Gehirn, vor allem aus dem Hypothalamus. Auf den Hypothalamus wirken die gefühlsbestimmten Impulse aus dem limbischen System ein. Das limbische System ist das Zentrum für Emotionen: Freude, Lust, Unzufriedenheit, Angst, Wut usw.

Auch die Informationen im Zentralnervensystem werden durch Botenstoffe übertragen: durch die sogenannten Neurotransmitter, wie Adrenalin, Noradrenalin, Serotonin, Gammaaminobuttersäure. Die Neurotransmitter sind gewissermaßen die Worte von Nervenzellen. Aus der Sequenz dieser Botenstoffe werden »Sätze« geformt: Verhaltensmuster.

Erstaunlicherweise können die Botenstoffe des Gehirns auch Informationen in das Immunsystem bringen: Das Immunsystem besitzt Rezeptoren für die Neurotransmitter (vergleichbar Ohren für die Botschaften). Umgekehrt kann das Gehirn auch die Botschaften der Zytokine aus dem Immunsystem hören. Zentralnervensystem und Immunsystem sind wechselseitig vielfach miteinander vernetzt. Auch die Intensität der Botschaften kann modifiziert werden: das Ohr gedämpft oder verschärft werden, als »down-modulation« oder »up-regulation«. Biologische Amplifier wirken da regulierend.

Noch sind die praktischen Möglichkeiten zur gesunden Förderung dieser faszinierenden Netzwerke wenig erschlossen, auch wegen der äußerst vielfältigen Wechselwirkungen. Also nur schöne Theorie all das? Keineswegs.

Schon das Wissen um die vernetzten Regelkreise zwischen Gehirn und Immunsystem bzw. zwischen Denken, Fühlen und Selbstheilung schafft nicht nur ein erweitertes Wissen um die Selbstheilungskräfte, sondern auch ein anderes (Selbst)Bewusstsein. Dieses Wissen warnt nun einerseits vor ständigen, einseitigen, massiven Eingriffen in die vernetzten Regelkreise unseres Organismus. Andererseits bestätigt dieses Wissen die Vorzüge von Naturheilverfahren, die mit körpervertrauten Mitteln körpervertraute Regelkreise ansprechen und die außerdem emotional gut akzeptiert werden können. (Es ist sehr bedauerlich, dass dieses biologisch-medizinische Wissen in der Politik so wenig bekannt zu sein scheint).

4.0 Mögliche Konsequenzen

Konkrete Anwendung können die psychoneuroimmunologischen Grundlagenkenntnisse mittels des Stresskonzeptes von Selye, bzw. des Internal-Loop-Modells von Reiser finden. Das Stresskonzept besagt, dass jedes Ungewohnte, also jeder Stress, ob angenehm oder unangenehm, im Organismus zunächst eine kurzfristige Alarmreaktion auslöst. Mit dieser Belastung versucht der Organismus fertig zu werden, indem er 1. der Situation eine Bedeutung zuerkennt und
2. Handlungsabläufe (Programme) abruft.

In der (kurzfristigen) Alarmreaktion werden die Immunfunktionen überwiegend gedämpft (u.a. durch Adrenalineinfluss). Im Alarm, durch die Belastung, können – abhängig von individuellen, veranlagungsbedingten Reaktionsmustern und den Umweltbedingungen – zwei unterschiedliche Verhaltensweisen ausgelöst werden: entweder die Flucht-Kampf-Reaktion (sympathikus- bzw. angstgeprägt) oder die Rückzugs-Erhaltungs-Reaktion (parasympathikus- bzw. depressionsgeprägt).

In der Adaptionsphase sollten diese einseitigen Reaktionen ausgeglichen bzw. kompensiert werden. Wenn der Ausgleich nicht gelingt, kommt es zur vegetativen Dauerspannung mit möglichen Folgeerkrankungen: Bluthochdruck, Herzangst-syndrom, Migräne, Neurodermitis, bei einseitig sympathikotoner Reaktion bzw. Magen-Zwölffingerdarmgeschwüren, Asthma, Allergien bei parasympathikotoner Reaktion. Immunstörungen können bei jeder Einseitigkeit auftreten.

Im Krankheitsverlauf kommt es mitunter zum Pendeln zwischen einseitigen Reaktionen (Angst und Depressionen, bzw. Flucht/Kampf und Rückzug/ Erhaltung). Hier lohnt sich die diagnostische Suche nach dem Ursprungsmuster für die richtige Grundtherapie. Der Ausgleich gelingt primär dann nicht, wenn Abwehr (neurotisches Muster) oder Fehlen von Erkennungsprogrammen vorliegt. Dann kann die Bewältigung (Adaption) nicht gelingen, kann Krankheit resultieren.

Wenn die Bewältigung nicht gelingt, geht Adaption in die Erschöpfungsphase über, mit den oben genannten Fehl-Adaptionskrankheiten. Gleichzeitig werden krankhafte, alte Verhaltensmuster wie Angst, Vermeidung, Depression, Rückzug oder Zwangshandlungen reaktiviert bzw. verstärkt.

Ein krankmachender Teufelskreis nimmt seinen Lauf, da die gestörten Heilungskräfte aus dem Immunsystem destabilisierend aus dem Körper auf das Fühlen und Denken zurückwirken.

4.1 Ein neuer Lebensstil

Es drängt, den Teufeiskreis von krankhafter Verknotung mit einem scharfen Schnitt zu lösen, wie Alexander den gordischen Knoten. Dieser Schnitt kann, wenn noch genügend gesunde Ich-Stärke vorhanden ist, aus dem Bewusstsein geführt werden: durch grundlegende Neuorientierung (an der Natur). Diese Stärke ist aber durchaus nicht immer gegeben. Dann hilft die geduldige Politik der kleinen Schritte:

1. Bewusstmachung der eigenen Reaktionsmuster

2. Entwicklung neuer komplementärer Programme. - Hierfür ist gegebenenfalls therapeutische Hilfe erforderlich.

3. Maßnahmen die über den Körper erfolgen:

Atemtherapie, Bewegungstherapie, Licht, Luft, Wärme, Kälte, Rohkosttherapie, Vitamintherapie, ausleitende Therapie (Heißwasser trinken) Mineralstoffpräparate, u.a. Magnesium, Calcium, Zink, Symbioselenkung (wichtig!), Therapie mit Heilpflanzen, Bitterstofftees: Tausendgüldenkraut, Artischockensaft, immunmodulierende Pflanzen: Echinacea-Saft, Eleutherokokkuspräparate, Johanniskraut zur neurovegetativen Regulation, Ginseng als wichtigsten Adaptogen.

Damit werden die wichtigsten Grundlagen für die Heilung gelegt. Die Erkenntnisse der Neuroimmunologie zeigen die engen Beziehungen zwischen ZentraInervensystern und Immunsystem, zwischen Fühlen, Denken und Heilungskräften. Diese Beziehungen können krankmachend, krankheitsverstärkend, aber auch heilend wirken.

Zivilisatorische Einflüsse wirken in der Regel ungünstig auf die ursprünglichen, natürlichen Regulationssysteme des Körpers. Es liegt an jedem von uns selbst, die lebensrichtige Orientierung zu prägen und zu fördern.

Dr. med. Klaus Mohr, nach einem Artikel in der deutschen Reform-Rundschau.