NS-Zeit - Die Kirche im Dritten Reich
1.0 Werdegang von Papst Pius XII.
Pius XII. wurde am 2. März 1876 als Eugenio Pacelli in Italien
geboren. Seine Familie – Kirchenjuristen – stand im
Dienste des Papstes. Schon in früher Jugen wurde er durch die
judenfeindliche Haltung des Signor Guiseppe Marchi geprägt.
Dieser war Gründer und Direktor der katholischen, privaten
Grundschule, die Eugenio besuchte.
Von 1894 bis 1899 studierte er Philosophie und Theologie an der
römischen Jesuitenuniversität »Gregoriana«
und zeitgleich Sprachen an der weltlichen Universität von Sapienza.
Am 2. April 1899 schließlich wurde Pacelli zum Priester geweiht
und schrieb sich erneut an der Universität ein, um kanonisches
Recht zu studieren. Zu dieser Zeit begann auch seine Laufbahn im
Vatikan.
1.1 Erste Kontakte zu Deutschland
1917 wurde er nach München versetzt und übernahm dort
die bayrische Nuntiatur. Aus dieser Zeit stammt auch seine Begeisterung
für Deutschland und die deutsche Kultur. 13 Jahre später
kehrte er nach Rom zurück, wurde dort als Kardinalstaatssekretär
eingesetzt und somit rechtlichen Stellvertreter des Papstes.
1.2 Verhandlung des Reichskonkordates mit Deutschland
Als solcher handelte Pacelli auch mit Franz von Papen am 20. Juli
1933 das Reichskonkordat aus. Dieses beinhaltete einen Verzicht
jeglicher politischer Betätigung des Klerus, gleichzeitig sollte
es aber die materielle und institutionelle Stellung der katholischen
Kirche im Deutschen Reich sichern. Ein Auszug daraus:
Art. 1: Das Deutsche Reich gewährleistet die Freiheit des Bekenntnisses
und der öffentlichen Ausübung der katholischen Religion...
Art. 31: Diejenigen katholischen Organisationen und Verbände,
die ausschließlich religiösen, rein kulturellen und karitativen
Zwecken dienen und als solche der kirchlichen Behörde unterstellt
sind, werden in ihren Einrichtungen und in ihrer Tätigkeit
geschützt...
Art. 32: ...erläßt der Heilige Stuhl Bestimmungen, die
für die Geistlichen und Ordensleute die Mitgliedschaft in politischen
Parteien und die Tätigkeit für solche Parteien ausschließen.
1.3 Weitere biographische Daten
Nach dem Tod von Papst Pius XI. im Februar 1939 wurde Pacelli am
2. März zum Papst gewählt und nahm den Namen Pius der
XII an. Er selbst starb am 9. Oktober 1958.
2.0 Pro und kontra - Papst Pius XII. und das NS-Regime
An Papst Pius XII. scheiden sich insofern die Geister, als es verschiedene
Interpretationen seines Verhaltens gibt, die nicht miteinander zu
vereinbaren sind. Die Sichtweise von Gegnern und Befürwortern
stellt sich etwa folgendermaßen dar;
2.1 ...alles in seiner Macht stehende getan...
Seine Anhänger behaupten, Papst Pius XII. habe alles in seiner
Macht stehende für die Juden in den verfolgten Gebieten getan.
Ihnen zufolge habe er geschwiegen, um die Situation der Juden nicht
noch zu verschlimmern. Bereits im Ersten Weltkrieg hatte Papst Pius
XII. sich sehr für die Kriegsgefangenen beider Seiten eingesetzt.
2.2 ...humanitäre Hilfe geleistet...
Seinen Anhänger zufolge hat er auch im Zweiten Weltkrieg für
Kriegsgefangene und Verfolgte humanitäre Hilfe geleistet. So
soll auch eine enge Zusammenarbeit mit dem Roten Kreuz bestanden
haben. Im Zuge dieser Kooperation sei ein Nachrichtendienst zum
Informationsaustausch zwischen Kriegsgefangenen und ihren Familien
organisiert worden. Auch sollen mehrere Hilfsprojekte diskutiert
worden sein, um die Juden aus den besetzten Gebieten zu evakuieren
und in Sicherheit zu bringen.
2.3 ...Situation der katholischen Kirche verbessert...
Auch wird Papst Pius XII. mit dem Hinweis verteidigt, dass er den
guten Kontakt zum Deutschen Reich nur deshalb gesucht habe, um die
Situation der katholischen Kirche und ihrer Anhänger zu verbessern.
2.4 ...geschwiegen, weil selbst antisemitisch...
Piusgegner dagegen werfen ihm vor, geschwiegen und damit dem Naziregime
zugestimmt zu haben. Sie sind der Überzeugung, Papst Pius XII.
habe sich deshalb nicht eindeutig gegen die Judenverfolgung geäußert,
weil er selbst Antisemit gewesen sei. Diese Abneigung habe sowohl
religiöse, als auch rassistische Wurzeln. Seinen Gegnern zufolge
habe Papst Pius XII. geglaubt, die Juden hätten ihr Unglück
selbst heraufbeschworen.
2.5 ...umstrittenes Vorgehen während der Deportation römischer
Juden...
Auch sein Verhalten während der Besetzung Roms und der Deportation
der römischen Juden löst heftige Diskussionen aus. Seinen
Anhängern sind der Meinung, das Papst Pius XII. auch dabei
alles getan habe, was in seiner Macht stand. So öffnete er
zum Beispiel die sonst abgeschiedenen Klöster für geflüchtete
Juden und erklärte die Anwesen für Territorium des Vatikanstaates.
So konnten mehrere Tausend Juden in ganz Italien gerettet werde.
2.6 ...zweifelhafte Zurückhaltung...
Seine Gegner wiederum werfen ihm vor, er habe die Juden nicht gewarnt
und auch keinen Protest erhoben, obwohl der Abtransport mehr oder
weniger genau unter seinem Fenster stattfand. Der Vatikan bekam
auch Nachricht von jeder Station des Zuges, mit dem die Juden von
Rom nach Auschwitz transportiert wurden. Dennoch schwieg er. Statt
dessen habe Pius sich mehr für die Schäden in Rom interessiert,
die durch die Luftangriffe der Alliierten entstanden waren.
3.0 Mühevolle Aufarbeitung der Geschichte
3.1 Ein Theaterstück als Katalysator
Die Bewältigung der Vergangenheit im Zusammenhang mit dem
Dritten Reich begann erst 1963. Ausgelöst wurde dieser Prozess
durch die Uraufführung von Rolf Hochhuths Stück »Der
Stellvertreter« in Berlin. Hochhuth stellt darin Papst Pius
XII. als gleichgültig dar und macht aus ihm einen großen
Zyniker. Obwohl das Stück rein fiktiv ist und nicht auf historische
Tatsachen beruht, prägt es das Bild, das die Allgemeinheit
von Papst Pius XII. bis heute hat.
3.2 Erste Veröffentlichung von Dokumenten
1964 wurde in Paris die erste Dokumentation veröffentlicht,
die sich auf vorhandenen Akten stützt: »Pius XII. und
das Dritte Reich« von Saul Friedländer. Friedländer
hatte den Krieg in einem katholischen Kloster in Frankreich überlebt,
während seine Eltern in Auschwitz umkamen. Als Folge dieser
Präsentation öffnete der Vatikan seine Archive. 1964 wies
Papst Paul VI. eine Gruppe gelehrter Jesuiten an, die vatikanischen
Kriegsdokumente für eine Publikation vorzubereiten. Das Werk
erschien zwischen 1965 und 1981 in elf Bänden unter dem Titel
»Actes et Documents du Saint-Siège relatifs à
la Seconde Guerre mondiale«. Nur der erste Band ist in Englisch
verfasst, die weiteren zehn in französischer Originalsprache,
doch die Kritiker wollten nicht verstummen.
3.3 Einen Kommission aus Juden und Katholiken
Nach John Cornwells Buch 1999 und einer Analyse des einheimischen
Historikers Giovanni Miccoli ein Jahr später setzte Papst Johannes
Paul II. erneut eine Wissenschaftlerkommission ein. Diese bestand
aus drei Katholiken und drei Juden und hatte die Aufgabe, die Rolle
von Papst Pius XII. anhand des vorhandenen Aktenmaterials zu untersuchen.
3.4 Offene Fragen und Scheitern der Studiengruppe
Des weiteren bestand aber auch die Aufgabe, das Aktenmaterial auf
seine Zuverlässigkeit hin zu überprüfen. Die Studiengruppe
kritisierte, dass sie nur eine Auswahl der archivierten Dokumente
vorfanden und verlangte Zugang zu den Archiven. Dieser wurde jedoch
vom Vatikan mit der Begründung, die Akten seien noch nicht
gesichtet, verwehrt.
Peter Gumpel, der sich mit dem Seligsprechungsverfahren von Papst
Pius XII. beschäftigt, wurde ein 47 Fragen umfassender Fragenkatalog
zu speziellen Dokumenten, zu dem gesamten Dokumentenkatalog sowie
zu generell entstandenen Fragen vorgelegt. Nur 12 davon wurden in
einem Gespräch geklärt. Nach internen Streitigkeiten wurde
jetzt die Studiengruppe für gescheitert erklärt.
3.5 Offizielle Stellungnahme des Vatikans
Nach elfjähriger Vorbereitung veröffentlichte der Vatikan
1998 eine Stellungnahme zur Judenverfolgung im Dritten Reich. Johannes
Paul II hatte das vierzehnseitige Dokument selbst in Auftrag gegeben.
Darin wird erklärt, dass sich Christen nicht entschieden genug
gegen die Verfolgung von Juden während der Zeit des Nationalsozialismus
eingesetzt hätten. Eine klare Entschuldigung für das Verhalten
der Kirchenführung enthält das Papier jedoch nicht. Von
dem damaligen Papst, Pius XII., heißt es in der Stellungnahme,
er habe »persönlich oder mit Hilfe seiner Vertreter hunderttausende
jüdische Leben gerettet«.
Während die Kirche das Papier als Schuldeingeständnis
wertet, stehen jüdische Organisationen und der Staat Israel
dem Papier kritisch gegenüber.
3.6 Pressestimmen zum vatikanischen Dokument
Auch Pressestimmen sparten nicht mit Kritik an dieser Erklärung
des Vatikan. So äußerte eine Schweizer Tageszeitung:
»Wo das Papier die dunkelsten Punkte berührt, verwässert
es mehr, als es klärt. Erst wird der Antijudaismus begrifflich
fein säuberlich vom rassistisch motivierten Antisemitismus
getrennt. Dann folgt der Hammer – in Form der These, der von
den Nationalsozialisten praktizierte Antisemitismus habe ›seine
Wurzeln außerhalb des Christentums‹. Klar kann man mit
etwas Rabulistik behaupten, Hitler sei letztlich Heide gewesen,
ein gottloser Kerl. Doch wie war das mit den Millionen von Deutschen,
die dem Führer verzückt zujubelten? Hatten die auch nie
eine Messe besucht? Gewiss, es gab einzelne starke Stimmen des Widerstands
und frühe Warnungen wie die Botschaft ›Mit brennender
Sorge‹, 1937 von Pius XI. erlassen. Nur hat sein Nachfolger,
Pius XII., zu Auschwitz beharrlich geschwiegen. Wer an das eine
erinnert und das andere milde übergeht, betreibt geschichtliche
Schönfärberei.«
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