Schisma - Was Ost- und Westkirche
trennt und verbindet
1.0 Auseinanderdriften im Denken
Die Entfremdung zwischen der Kirche im Osten und der im Westen
war ein ganz allmählicher Prozess. Dieser läßt sich
ablesen an der unterschiedlichen Entwicklung der Sprachen, mit der
eine Entfremdung des griechisch-orientalischen und des lateinisch-abendländischen
Denkens einherging. Es ergaben sich im Laufe der Jahrhunderte auch
unterschiedliche Entwicklungen in liturgischer, disziplinärer,
kirchenpolitischer und dogmatischer Art. Die Errichtung des abendländischen
Kaisertums unter Karl. d. Gr. und später dann unter Otto d.
Gr. erhöhten die Spannungen zusätzlich.
1.1 Politische Spannungen
Am konfliktträchtigsten waren – wie so oft – die
politischen Spannungen. Das byzantinische Kaisertum beanspruchte
einige Territorien in Italien. Vor allem das Gebiet um Ravenna,
aber auch Teile Unteritaliens gehörten zu seinem Einflussbereich.
Als der aus Deutschland stammende Papst Leo IX. (1049-1054) politisch
nach Süditalien ausgriff, das die Normannen soeben den Byzantinern
zu entreißen begannen, ergaben sich erneut Berührungspunkte
und Differenzen zwischen Ost und West. Der byzantinische Kaiser
Konstantin IX. war geneigt ein Bündnis mit dem Papst zu schließen
und gemeinsam gegen die Normannen zu kämpfen. Davor aber hatte
der Patriarch von Konstantinopel, Michael Kerullarios (1043-1058),
Angst. Er befürchtete ein Übergreifen des Papstes in seinen
Jurisdiktionsbereich. Von daher versuchte Michael Kerullarios die
Annäherung zwischen byzantinischem Kaiser und Papst zu verhindern.
Er ließ die lateinischen Kirchen und Klöster in Konstantinopel
schließen und verurteilte mehrere lateinischen Bräuche
und theologische Auffassungen. Papst Leo sandte daraufhin als Unterhändler
neben anderen Kardinal Humbert von Silva Candida nach Kontantinopel.
1.2 Das Schisma vom Juli 1054
Die Verhandlungen verliefen von Anfang an unglücklich. Die
Gesandten Papst Leos traten sehr selbstbewusst bis überheblich
auf. Sie forderten letztlich den Patriarchen von Konstantinopel
auf, den römischen Jurisdiktionsprimat, also den Primat des
römischen Papstes, und die abendländischen Bräuche
anzuerkennen. Die Art und Weise, wie die lateinische Kirche Liturgie
feiere, bezeichneten sie als einzig gültige und traditionsgemäße.
Patriarch Michael, seinerseits nicht minder ehrgeizig, hochmütig
und berechnend, weigerte sich schließlich, die Gesandten zu
empfangen. Da schleuderte ihm Kardinal Humbert von Silva Candida
eine leidenschaftliche Kampfschrift entgegen und fertigte –
ohne in Rom nachzufragen – die Exkommunikationsbulle aus.
Am 16. Juli 1054 legte er sie unter lautem Protest vor den Augen
der zum Hauptgottesdienst gerüsteten Priester und der zum Gottesdienst
versammelten Bevölkerung auf dem Hauptalter der Hagia Sophia
nieder. Damit war die Trennung von Ost- und Westkirche besiegelt.
Es ist bis heute strittig, ob Kardinal Humbert zu so weitgehenden
Schritten bevollmächtigt gewesen ist. Papst Leo war nämlich
bereits am 19. April 1054, fast drei Monate vor diesem peinlichen
Auftritt in Konstantinopel, gestorben. Sein Nachfolger Victor II.
(1055-1057) wurde erst am 13. April 1055 gewählt, so dass der
päpstliche Stuhl vakant war. Dies hatte im übrigen zu
Folge, dass Michael Kerullarios seinerseits weder den Papst noch
die römische Kirche exkommunizierte. Er exkommunizierte lediglich
die Gesandten. Dennoch war ein Bruch entstanden, der bis heute nicht
geheilt werden konnte. Trotz oft erneuerter Einigungsversuche ist
das Schisma bis heute geblieben.
2.0 Die orthodoxe Kirche heute
2.1 Organisationsstruktur
Die Orthodoxie ist nicht zentralitisch organisiert, sondern ein
Verband einzelner Nationalkirchen (Staatsgrenzen und Grenzen der
orthodoxen Kirchen decken sich weitgehend). Sie besteht aus einem
Teil autokephaler Kirchen (ein eigenes Oberhaupt habend) und einem
Teil autonomer Kirchen (eine eigene Verfassung habend, jedoch einem
anderen Patriarchat – meist Konstantinopel – unterstellt).
Den Kern der 16 derzeit existierenden orthodoxen Kirchen bilden
die 4 altkirchlichen Patriarchate Konstantinopel, Alexandrien, Antiochien
und Jerusalem. Obwohl 16 verschiedene orthodoxe Kirchen existieren,
gibt es dem Wesen nach in Glaube und Lehre nur eine orthodoxe Kirche.
Autokephalie bzw. Autonomie bedeuten Einheit in der Vielfalt. Der
weltweite Verband der derzeit etwa 170 Millionen Gläubigen
ist die panorthodoxe Konferenz (unter dem Vorsitz von Konstantinopel).
Die Auslandskirchen (z.B. in Amerika oder Australien) unterstehen
entweder der Kirche ihres Heimatlandes oder dem ökumenischen
Partriarchat.
2.2 Kirchliche Amtsträger
· Priester, Diakon, Subdiakon, Vorleser, Kantoren, Bischöfe:
sie verstehen sich als die Nachfolger der Apostel, sie sind alle
gleichberechtigt.
· Erzbischöfe, Metropoliten: Vorsteher des Bischofskollegiums
eines Gebietes, meist Bischof der politischen Landeshauptstadt.
· Patriarchen: Vorsteher des Bischofskollegiums bestimmter Metropolitansitze
mit besonderer Bedeutung, bischöflicher Vorsitz über ein
größeres Gebiet; Patriarchen haben gewisse Befugnisse
(auch über Bischöfe), unterstehen aber der Bischofssynode.
2.3 Das Ökumenische Patriarchat von Konstantinopel
Eine Sonderstellung hat der Patriarch von Konstantinopel. Bereits
das 2. Ökumenische Konzil von Konstantinopel (381) hebt die
Stellung der Kirche von Konstantinopel hervor: »Der Bischof
von Konstantinopel soll nach dem römischen den Ehrenprimat
besitzen, denn diese Stadt ist das neue Rom.« Der Kanon 28
des 4. Ökumenischen Konzils von Chalzedon (451) erweitert den
Einflußbereich und das Territorium des Patriarchaten von Konstantinopel.
Ab dem 6. Jahrhundert bekommt der Bischof von Konstantinopel den
Titel »Ökumenischer Patriarch«. Die Hagia Sofia,
die Kathedrale von Konstantinopel, bildete über Jahrhunderte
das Zentrum des religiösen Lebens im östlichen Teil des
römischen Reiches. Seit dem Schisma von 1054, kommt nun dem
Ökumenische Patriarchat, mit Berufung auf den altkirchlichen
Kanon, der dem Patriarchen von Konstantinopel die selben Rechte
wie dem Papst zu sicherte, der erste Rang unter den orthodoxen Kirchen
zu. Wobei man die Stellung des Patriarchaten von Konstantinopel
nicht mit der des Papstes in der katholischen Kirche vergleichen
kann. Die orthodoxe Kirche setzt sich aus 16 autokephalen, bzw.
autonomen Kirchen zusammen. Das Ökumenische Patriachat von
Konstantinopel hat aber eine gewisse Führungsrolle, es nimmt
das Initiativ-, Koordinations-, Vorsitz-, und Durchführungsrecht
wahr und führt diese in Zusammenarbeit mit den anderen orthodoxen
Kirchen kollegial und synodal aus. Eine herausragende Persönlichkeit
im ökumenischen Gespräch der Kirche von Konstantinopel
und der Gesamtorthodoxie war Patriarch Anthenagoras I. (1948-1972).
Er trat gemeinsam mit Papst Paul VI. in einen Dialog mit der Westkirche
ein. 2003 hat Bartholemaios I. das Amt des Ökumenischen Patriarchen
von Konstationopel inne.
2.4 Glaubensquellen
Als Quellen des Glaubens werden die Heilige Schrift, die Tradition,
die Dogmen der ersten 7 Konzilien der ungeteilten Kirche (nach orthodoxem
Verständnis kann nur ein ökumenisches Konzil neue Dogmen
schaffen), und das liturgische Leben angesehen.
2.5 Die Sakramente
Es gibt 7 sogenannte Mysterien mit rituell unterschiedlicher Entwicklung
zwischen den einzelnen Kirchen. Sie sind Träger göttlicher
Kraft, wobei die Betonung auf der hinter ihnen stehenden Gnade liegt.
1. TAUFE:
Durch dreimaliges Untertauchen (Zeichen für Tod und Auferstehung)
wird die Eingliederung in die Kirche vollzogen.
2. FIRMUNG:
Sie erfolgt unmittelbar nach der Taufe durch eine Salbung mit Myron
(dem Gläubigen soll die Kraft vermittelt werden, ein christliches
Leben zu führen). Gleichzeitig wird es dem Gläubigen ermöglicht,
am Sakrament der Eucharistie teilzunehmen.
3. EUCHARISTIE:
Die Kommunion wird in beiderlei Gestalt empfangen (das Brot wird
mit dem Löffel in den Wein getaucht). Bevor die Kommunion empfangen
werden darf, müssen Jugendliche und Erwachsene beichten und
fasten. Die Gabenbereitung erfolgt vor dem Wortgottesdienst an einem
eigenen Tisch (Prothesis). Am Beginn der Eucharistie wird der große
Einzug des Priesters mit Brot und Wein zelebriert.
4. BUßE:
Das Sakrament der Buße wird als Ohrenbeichte abgelegt, danach
folgt die Vergebung der Sünden und die Lossprechung durch den
Priester.
5. KRANKENSALBUNG:
Sie ist sowohl Stärkung in Todesnot als auch Hilfe im Kampf
gegen die Sünde. Sie hat einen heiligenden Charakter und beinhaltet
die Vergebung aller Sünden.
6. EHE:
Das Sakrament der Ehe besteht aus zwei Teilen. Zuerst erfolgt das
Verlöbnis durch das Sprechen der Verlöbnisformel, danach
werden die Ringe angesteckt und ein dreifacher Segen ausgesprochen.
Zuletzt erfolgt die Krönung, die einen Hinweis auf das Martyrium
Christi gibt. Die Ehe ist grundsätzlich unauflöslich,
doch gestattet und segnet die orthodoxe Kirche eine zweite, in Ausnahmefällen
sogar eine dritte Eheschließung (z.B bei Ehebruch des Partners).
Die Trauung ist meist mit einer Eucharistiefeier verbunden.
7. PRIESTERWEIHE:
Sie wird durch ein Gebet und Handauflegung vollzogen. In einzelnen
Fällen erfolgt auch eine Salbung mit Myron. Der Priester erhält
somit die Vollmacht zu predigen und Sakramente zu spenden. Es gibt
zwei Arten von Priestern: zölibatär lebende oder verheiratete
(die Entscheidung muß vor der Diakonatsweihe getroffen werden).
2.6 Gottesdienst
Die heilige Liturgie orthodoxer Gottesdienste wird in der Regel
in der auf Johannes Chrysostomos zurückgehenden Form gefeiert.
Die Gegenwart Gottes wird nicht nur durch Predigt und Abendmahl
sondern auch durch Bilder und den gesamten Gottesdienst vermittelt.
Die Gottesdienste werden in der jeweiligen Volkssprache gehalten,
wohingegen die orthodoxen Slawen bis heute altkirchenslawisch als
Liturgiesprache benützten. Der Gemeinderaum ist vom Altarraum
durch eine Bilderwand mit drei Türen (Ikonostase) getrennt.
Alle Sinne werden angesprochen: sehen (durch den Ein- und Auszug
des Priesters und durch Ikonen), hören (durch den Kirchengesang,
der von ethnischen und lokalen Traditionen geprägt ist), fühlen
(durch das ständige Stehen während des Gottesdienstes),
riechen (Kerzen und Weihrauch) und schmecken (Kommunion).
2.7 Ikonenverehrung
Ursprünglich gab es heftige Diskussionen über das Verbot
oder die Zulassung von Bildern und deren Verehrung. Das II. Konzil
von Nicäa brachte eine Entscheidung zugunsten der Bilderverehrung,
da niemals das Bild, sondern die dargestellte Person bzw. das dargestellte
Heilsgeschehen verehrt wird. Die Bilder werden auch nicht angebetet,
da die Anbetung allein dem dreieinigen Gott vorbehalten ist. Ikonen
gelten nicht als Kunstwerke, sondern als Repräsentant des Dargestellten.
Der Ikonograph, der tief im kirchlichen Leben verwurzelt sein muss,
bereitet sich durch Gebet und Fasten auf seine Arbeit vor. Pinsel,
Holz und Farbe werden geweiht, das fertige Bild wird gesegnet.
2.8 Heilige
In der orthodoxen Kirche existiert eine sehr ausgeprägte Verehrung
der Heiligen, speziell der Mutter Gottes, die in zahlreichen Hymnen
als neue Eva und Thron Gottes gepriesen wird. Die Heiligen werden
als Freunde und Helfer der Gläubigen verstanden.
3.0 Theologische Unterschiede zur katholischen Kirche
· Das »filioque« (= lat.: »und vom Sohn«):
Die Ostkirche erkennt das von der Westkirche eingeführte »filioque«
nicht an, sondern ist der Ansicht: der Heilige Geist geht allein
von Gott Vater aus und nicht vom Vater »und vom Sohn«.
· Die leibliche Himmelfahrt und die unbefleckte Empfängnis
Marias sind nicht als Dogma anerkannt.
· Das Primat des Papstes wird nicht anerkannt, wohl aber räumen
die Orthodoxen dem Papst ein, im Falle der vollen Gemeinschaft erster
Bischofs zu sein.
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