Reformation - Martin Luther und die Folgen
1.0 Die Ausgangssituation
Kirchliche Missstände, soziale Veränderungen und die
Rückbesinnung auf die Ideale und Werte der Antike lösten
eine der größten revolutionären Bewegungen der Kirche
in der frühen Neuzeit aus. Das Ansehen der Kirche hatte im
15. Jahrhundert sehr gelitten. Kirchenabspaltungen, die Zuwendung
der kirchlichen Vertreter zu weltlichen Freuden und Genüssen,
Korruption und Machtanreicherung beeinträchtigten die Glaubwürdigkeit
der christlichen Lehre und der Predigt von Nächstenliebe und
Bescheidenheit.
1.1 Eine »Glaubensrevolution« spaltet die Kirche
Die Unzufriedenheit mündete in einer bis zu diesem Zeitpunkt
nicht da gewesenen Reformbestrebung. Mit der Verkündung von
Martin Luthers 95 Thesen im Jahr 1517, die eine neue Bibelauslegung
beinhalteten, wurde die Grundlage der protestantischen Revolution
gelegt. Die Reformation (lateinisch: Erneuerung, allgemein: Wiederherstellung,
Verbesserung) zielte nicht auf eine strukturelle Veränderung,
sondern auf eine religiöse Umgestaltung und Neubesinnung. Das
Ende der Vorherrschaft des Papstes wurde besiegelt und der protestantische
Glaube wurde eingeführt. 1555 erhielten die Landesfürsten
mit dem Augsburger Religionsfrieden das Recht die Religion für
ihre Untertanen frei zu bestimmen. Damit erfolgte der Schritt zur
Gleichberechtigung zwischen dem katholischen und protestantischen
Glauben.
1.2 Der Begriff »Reformation«
Die Reformation bezeichnet die Trennung der reformierten Kirche
und der protestantischen Kirche von der römisch-katholischen
Kirche im 16. Jahrhundert. Wegbereiter der Reformation waren Johann
Calvin, Martin Luther und Ulrich Zwingli. Zu unterscheiden sind
zwei Formen der Reformation: Zum einen die Volksreformation, die
Kritik an der kirchlichen Obrigkeit äußerte und soziale
Nöte und Ungerechtigkeiten anprangerte. Zum anderen die Fürstenreformation,
die nicht den spontanen Charakter der Volksreformation hatte und
eine Verstaatlichung aller kirchlichen Besitztümer zu bewirken
versuchte.
1.3 Von der Reform zur Reformation
Eine Trennung von der katholischen Kirche war anfangs nicht die
Absicht der Reformatoren. Die Reformation (»Wieder-Formierung«)
sollte das allmähliche Verlorengehen der ursprünglichen
christlichen Moral in der Katholischen Kirche beenden und umkehren.
Weil aber die Obrigkeit der katholischen Kirche zur keinem Dialog
bereit war, haben viele die Katholische Kirche verlassen, und wurden
von ihr hart verfolgt. Im Reich markierte der Westfälische
Friede den Endpunkt des Glaubenskriegs zwischen Katholiken und Anhängern
der Reformation.
2.0 Die Zeit Martin Luthers
2.1 Eine neue Zeit - ein neues Bild des Menschen
Martin Luther, der wohl bekannteste Reformator, wird in eine Zeit
mit vielen Spannungen und Konflikten hineingeboren. Es ist die Übergangszeit
vom Mittelalter zur Neuzeit. Er selbst wird die großen Veränderungen
dieser Zeit entscheidend mitprägen. Der Augustinermönch
wird mit seinem Aufbegehren gegen den Ablasshandel, welcher für
die Katholische Kirche eine große Rolle spielte, eine Welle
durch Europa in Bewegung setzen, die er so gar nicht bezweckt hatte.
Noch haben sich Gepflogenheiten der alten Zeit erhalten, das Neue
dringt aber unaufhaltsam in alle Lebensbereiche ein. Diese Umbruchzeit
ist gekennzeichnet von neuen Erfindungen und vom Entstehen eines
neuen Weltbildes. Für das Verständnis der Reformation
und ihrer führenden Köpfe (z.B. Luther) ist die Strömung
des Humanismus besonders wichtig.
2.2 Luthers Beitrag an der Wende zur Neuzeit
Luther wirkt auf seine Zeit und leistet mit seiner Bibelübersetzung
einen wichtigen Beitrag zum Entstehen der deutschen Schriftsprache.
Er schafft viel Neues, verfällt aber auch manchmal in alte
Vorurteile, wie gegenüber den Juden. So ist der große
Reformator in seiner Zeit, in den folgenden Jahrhunderten und auch
heute noch in vielen Dingen umstritten. Die Welle, die er in Gang
setzte ist nicht mehr aufzuhalten, sie wirkt nach seinem Tod weiter
und führt zum Entstehen der evangelischen Kirche.
3.0 Person und Wirken Martin Luthers
3.1 Der Thesenanschlag - der Beginn der Reformation
Am 31. Oktober 1517 nagelt Luther mit lauten Hammerschlägen,
die durch ganz Europa hallen, seine 95 Thesen, wider die päpstliche
Ablasspraxis, an die Tür der Schlosskirche zu Wittenberg: Dies
ist auf vielen Darstellungen zu sehen und wurde bis in unser Jahrhundert
hinein als Tatsache anerkannt. Es ist ein Bild, das wie kaum ein
anderes zum Symbol der Reformation geworden ist. Dieses Ereignis
setzt man als Beginn der Reformation an.
3.1.1 Der Thesenanschlag - eine Legende?
So schlug es wie ein Blitz ein, als 1961 der katholische Lutherforscher
Erwin Iserloh mit der Behauptung an die Öffentlichkeit trat,
der Thesenanschlag gehöre in das Reich der Legende.
Jedoch sind die angeführten Fakten durchaus einleuchtend.
Zum einen stammt die erste schriftliche Darstellung dieses Ereignisses
von Philipp Melanchthon, der jedoch kein Augenzeuge gewesen sein
konnte, da er erst 1518 nach Wittenberg kam. Auch erscheint diese
Darstellung erst nach dem Tode Luthers. Von ihm selbst ist also
kein Kommentar zu den »Nagelarbeiten« des Jahres 1517
überliefert.
Zwar sollen an die Tür der Schlosskirche regelmäßig
Ankündigungen für Disputationen angebracht worden sein,
jedoch muss das öffentliche Anbringen der Thesen ohne eine
Reaktion der Bischöfe abzuwarten, als klare Provokation der
Vorgesetzten gewertet werden. Dies ist jedoch einem Luther, der
eigentlich nur Missstände abändern wollte, nicht zuzutrauen.
Auch ist zu vermerken, dass in Wittenberg keine öffentliche
Disputation der Thesen stattfand und auch (noch) kein Urdruck der
Thesen gefunden werden konnte.
3.1.2 Die gesicherten Fakten
So bleibt nur das Gesicherte: Luther schrieb am 31.10.1517, nachdem
er eine Instruktionsschrift für Ablasshändler gelesen
hat, Briefe an seine Vorgesetzten, in denen er die Praxis des Ablasshandels
anprangerte und die Behebung der Missstände anmahnte. Den Briefen
legte er 95 Thesen bei, die als Grundlage für eine Disputation
über das Thema dienen sollten. Jedoch hat sich Luther auch
schon vor dem 31.10.1517 in Predigten gegen den Ablasshandel ausgesprochen.
Heute wird von der Mehrheit der Lutherforscher als erwiesen angesehen,
dass Luther an dem besagten Tage nicht mit dem Hammer zu Werke ging.
Dennoch ist das Bild des Thesenanschlages heute noch eines der gebräuchlichsten
im Umgang mit Luther und der Reformation.
3.2 Zur Biographie Martin Luthers
3.2.1 Der angehende Jurist
1483 wurde Martin Luther in einer aus bäuerlichen Verhältnissen
stammenden Bergarbeiterfamilie in Eisleben geboren.
Ab 1488 besuchte er die Mansfelder Lateinschule. In Magdeburg und
später in Eisenach setzte er seine Schulzeit fort.
Seit 1501 studierte er in Erfurt, mit dem Ziel, Jurist zu werden.
3.2.2 Der Mönch und Theologe
Jedoch brach der junge Mann 1505 radikal aus der vorgezeichneten
Bahn aus, um in das Erfurter Augustiner-Kloster einzutreten. Diese
Entscheidung, die von der Suche nach einem gnädigen Gott und
seinem Willen, geprägt wurde, bestimmte sein weiteres Leben.
Damit begann die Entwicklung zum Kirchenreformator. Eigene negative
Erfahrungen mit den kirchlichen Gnadenmitteln bewirkten neben wachsender
Kritik an kirchlichen Missständen vor allem eine grundsätzliche
Auseinandersetzung mit der mittelalterlichen Theologie.
3.2.3 Der umstrittene Reformator
Die öffentliche Kritik am Ablassmissbrauch 1517 führte
statt zum erhofften Gespräch zur Eröffnung des Ketzerprozesses,
der mit der Verhängung des Kirchenbannes und der Reichsacht
1521 seinen Abschluss fand. Im Februar 1546 starb Luther in seiner
Geburtsstadt Eisleben. Auf Befehl des Kurfürsten wurde er in
der Schlosskirche zu Wittenberg bestattet. Etwa 70 Millionen Gläubige
auf allen fünf Kontinenten zählen sich heute zu lutherischen
Kirchen.
3.2.4 Wichtige Ereignisse im Überblick
· 10. 11. 1483 Geburt in Eisleben
· 1505 Mönch in Erfurt
· 1512 Doktor der Theologie in Wittenberg
· 1517 Thesenanschlag
· 1520 Verbrennung der päpstlichen Bannandrohungsbulle
· 1521 Ablehnung des Widerrufs auf dem Reichstag in Worms
· 1521 Aufenthalt auf der Wartburg, Übersetzung des Neuen Testaments
ins Deutsche
· 1525 Luthers Hochzeit mit Katharina von Bora
· Es folgen eine Vielzahl von Streitschriften
· 1534 Herausgabe der ersten Wittenberger Gesamtbibel in Martin
Luthers deutscher Übersetzung
· 18.02.1546 in Eisleben gestorben; bestattet in der Schlosskirche
Wittenberg
3.3 Luther und der Ablasshandel
3.3.1 Ablasspraxis zwischen Geschäft und Glauben
Bis zum 16. Jahrhundert war die römische Kirche eine unumstrittene
Institution in allen Ländern Europas. Ihren wachsenden Geldbedarf
versuchte die Kirche durch den Ablasshandel zu decken. Gegen Geld,
wahlweise auch Naturalien, konnte der einfache Mann sich bei der
Kirche den Ablass erkaufen, d.h. ihm wurden Sündenstrafen erlassen
und er durfte darauf hoffen, doch noch der göttlichen Gnade
teilhaftig zu werden.
3.3.2 Luther und das Ablasswesen
Seit etwa 1514 war Luther nicht nur Mönch und Universitätsprofessor,
sondern auch Prediger an der Wittenberger Stadtkirche. Hier ging
es nun nicht mehr um akademische Thesen und Gegenthesen, sondern
um das Seelenheil der Menschen. In der Predigt, bei der Abnahme
der Beichte, sowie bei der gemeinsamen Feier der Heiligen Messe
war es Luthers Aufgabe, den Menschen den richtigen Weg zur Erkenntnis
von Gottes Willen zu zeigen. Hier musste er auch die falschen, diejenigen,
die von Gottes Willen wegführen, deutlich machen. Und genau
an diesem Punkte kollidierte Luther unversöhnlich mit dem System
der katholischen Werkgerechtigkeit in Form des Ablasswesens.
3.3.3 Kann man sich von seinen Sünden loskaufen?
Im Frühjahr 1517 erlebte es Luther immer häufiger, dass
die Wittenberger der Beichte fernblieben, und stattdessen in die
auf brandenburgischem bzw. anhaltinischem Gebiet liegenden Städte
Jüterbog und Zerbst strömten, um sich sowohl von ihren
Sündenstrafen als auch von den Sünden selbst durch den
Erwerb von Ablasszetteln freizukaufen. Danach wollten sie sich ohne
jede Reue und Besserung von Luther absolvieren lassen. Das traf
den Beichtvater im Innersten, hatte er sich doch in einem qualvollen
Prozess zu der Auffassung durchgerungen, dass man als Sünder
Gott lieben und deshalb Leid und Reue über seine Sünden
ein Leben lang tragen müsse. Einer solchen Meinung zum Hohne
versprach die Kirche nun, dass man sich mit Geld von dieser einzig
möglichen christlichen Existenzweise freikaufen könne.
Preise einiger Ablassbriefe:
· ein Kirchenraub und Meineid kostete 9 Dukaten
· ein begangener Mord kostete 8 Dukaten
3.3.4 Ablasspraxis am Beispiel von Johannes Tetzel
Ein berüchtigter Ablasshändler dieser Zeit war Johann
Tetzel. Auf Anweisung seiner Vorgesetzten zog er in den magdeburgischen
und brandenburgischen Gebieten nördlich von Wittenberg durch
die Städte und Dörfer und pries marktschreierisch Ablassbriefe
an. Bald waren allenthalben, sicher übertriebene, Gerüchte
über ihn im Umlauf.
3.3.4.1 Sündenvergebung mit Garantie
Es hieß, man könne bei Tetzel auch Ablass für die
Sünden schon Verstorbener erlangen. Und wer wollte schon verstorbene
Verwandte oder Bekannte im Fegefeuer schmoren lassen, wenn man ihnen
mit der Zahlung einer bestimmten Summe den Weg ins Paradies öffnen
konnte? Auch hieß es, Tetzel verkaufe Ablass für Sünden,
die man erst in der Zukunft begehen würde. War das nicht die
beste Lebensversicherung, die man sich vorstellen konnte? Es hieß
sogar, Tetzel könne sogar, wäre dies möglich, die
schwere Sünde der Vergewaltigung der Gottesmutter Maria durch
Ablass vergeben.
3.3.4.2 Tetzel versus Luther
Ein solcher Ablasshandel verhöhnte geradezu Luthers Vorstellung
von einem sündigen Menschen, der sich ein Leben lang Gott in
Demut unterwirft, und brachte Luther dazu, diesen schändlichen
Ablasshandel anzuprangern.Johannes Tetzel selbst war nie in Wittenberg
gewesen, brachte aber den Stein der Reformation aufgrund seines
marktähnlichen Ablasshandels ins Rollen.
3.3.4.3 Johann Tetzel - Kurzbiografie
· um 1465 in Pirna geboren
· ab 1488 Dominikanermönch
· 1504 - 1510 Ablassprediger seines Ordens in verschiedenen deutschen
Ländern
· 1509 wurde er Inquisitor für Polen
· ab 1517 Generalsubkommissar des Mainzer Erzbischofs Albrecht II.
für die Ablasspredigt in der Provinz Magdeburg
· ab 1518 lebte er in Leipzig
· am 11.08.1519 verstarb Johann Tetzel in Leipzig
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