PR im NT - Öffentlichkeitsarbeit
im Urchristentum
1.0 Unterschiedliche Zielgruppen in der Urgemeinde
Jesus war Jude, das Christentum begann daher als jüdische
»Sekte«. Neben jüdischen Mitbürgern die sich
zum Christentum bekannten verstärkten sich recht bald auch
die Zuwächse an Christen unter den Griechen und Römern.
Dementsprechend kann man zwei unterschiedliche »Zielgruppen«
des frühen Christentums, und somit auch der Evangelien, bestimmen.
· Judenchristen: Juden die sich taufen ließen
· Heidenchristen: Nicht-Juden, z.B. Griechen, Römer usw. die
sich taufen ließen. Der Begriff »Heide« (im Sinne
von »Ungläubiger«) wird hier auf Grund des jüdischen
Ursprungs des christlichen Glaubens auf alle Nicht-Juden bezogen.
1.1 Bestimmungen für nicht-jüdische Christen
Die Frage der sogenannten Heidenchristen wurde zur Zeit der Apostel
heftig diskutiert. Kernproblem war die Frage, ob Griechen und Römer
zuerst zum Judentum konvertieren müssen um sich dann durch
die Taufe zu Christus bekennen zu können.
Das Apostelkonzil in Jerusalem (vermutlich 48/49 n. Chr) beschließt
einen Kompromiss: Nichtjüdische Bewerber müssen sich nicht
der Beschneidung unterziehen, aber einige grundlegende Vorschriften
den Judentums beachten: »Darum halte ich es für richtig,
den Heiden, die sich zu Gott bekehren, keine Lasten aufzubürden;
man weise sie nur an, Verunreinigungen durch Götzen(opferfleisch)
und Unzucht zu meiden und weder Ersticktes noch Blut zu essen.«
(Apg. 15 19f.)
»Unzucht« meint hier wahrscheinlich verbotene Verwandtschaftsehen.
»Ersticktes« und »Blut« bezieht sich auf
den Genuss nicht geschächteter, d.h. beim Schlachten ausgebluteter
Tiere. Auf diese Weise sollte das Zusammenleben zwischen Juden-
und Heidenchristen in gemischten Gemeinden ermöglicht werden.
Obwohl also einige Auflagen formuliert wurden, war durch diese Entscheidung
der Weg für den Erfolg der Mission unter Griechen und Römern
geebnet.
2.0 Die Öffentlichkeitsarbeit der Evangelisten
Modern gesprochen sind die Evangelien Ausdruck der urchristlichen
»Öffentlichkeitsarbeit« und es ist interessant
zu beobachten, wie die Evangelien sich an ihre »Zielgruppen«
wenden.
· Evangelium heißt »Frohe Botschaft«, die Autoren
wollen eine »message« vermitteln
· Diese wird so aufbereitet, dass sie das Publikum verstehen kann
· Für die damalige Zeit waren die Methoden der Apostel äußerst
innovativ und modern
2.1 Öffentlichkeitsarbeit bei Matthäus
2.1.1 Jüdische Christen als Zielgruppe
Primäre »Zielgruppe« des Evangelisten Matthäus
sind sogenannte Judenchristen. Für diese ist das Verhältnis
zwischen ihrem bisherigen jüdischen Glauben und dem Neuen im
Glauben an Jesus von besonderem Interesse. Matthäus greift
das Vorverständnis seines Publikums auf und möchte zeigen,
dass sich in Jesus das vollendet, was Gott im »alten Bund«
(Schöpfung, Noah, Abraham, Mose) begonnen hat.
2.1.2 Jesus als neuer Mose
Er stellt Jesus als neuen, vollkommenen Moses dar. Damit verdeutlicht
er, dass eine logische Kontinuität in der Zuwendung Gottes
zu den Menschen besteht, die nun in Jesus ihren Höhepunkt gefunden
hat. Matthäus bringt neben vielen direkten Zitaten aus der
Tora (der heiligen Schrift der Juden, vgl. unser »Altes Testament«)
auch indirekte Anspielungen, etwa indem er Szenen in seinem Evangelium
analog zu bestimmten Szenen im AT konstruiert.
2.1.3 Vom Berg Sinai zur Bergpredigt Jesu
Besonders anschaulich wird dies am Beispiel der der Bergpredigt. Hier
bringt Matthäus zu Ausdruck: Jesus ist der neue Maßstab,
seine Lehre ist die Vollendung der 10 Gebote. Das wird vor allem an
der Autorität deutlich, mit der hier bisherige Traditionen und
die Interpretation Jesu gegenübergestellt werden: »Ihr
habt gehört, dass gesagt wurde ... ich aber sage euch ...«
2.1.4 Weitere Beispiele
Kontinuität und Innovation in Christus werden von Matthäus
durchgehend eindrucksvoll argumentiert. Auf diese Weise knüpft
er bestmöglich an das Vorverständnis seiner Zielgruppe
an.
· In seinem Stammbaum weist Matthäus Jesus als wahren Erben
Davids, d.h. als Messias aus.
· Er argumentiert, dass der Geist des bisherigen Bundes (Tora, Mose,
Dekalog) in Christus nicht zerstört, sondern vollendet wird.
· Die Kindheitserzählung des Matthäus ist ganz darauf
zugeschnitten, Parallelen zur Kindheit des Moses aufzuzeigen.
2.2 Ein Blick auf Lukas
Im Unterschied zu Matthäus schreibt Lukas für Personen
im griechisch-römischen Bereich. Es ist wohl kein Zufall, dass
seine Geburtserzählung den Konnex mit dem großen römischen
Kaiser Augustus herstellt. Auf diese Weise holt jeder Autor seine
Leser dort ab, wo sie sich befinden...
3.0 Fazit
Es wäre unrichtig, die Entstehung der Evangelien auf den Faktor
»Öffentlichkeitsarbeit« zu reduzieren, aber es
ist doch bemerkenswert, wie umsichtig und innovativ die ersten Christen
zu Werke gingen. Man könnte ihnen dabei eigennützige Motive
unterstellen, oder dass sie ihrem Publikum nach dem Mund redeten,
um erfolgreicher zu sein. Übertriebenes Harmonierbedürfnis
dürfte aber kein Motiv gewesen sein, sonst hätte man sich
nicht für den Glauben töten lassen. Eher manifestiert
sich hier einen Haltung, die alles was es an Positivem gibt, aufgreift,
um es zu stärken und anzufachen.
»Das geknickten Rohr zerbricht er nicht,
den glimmenden Docht löscht er nicht aus.« (Jes 42,3)
Genau diese Haltung wurde Jesus nachgesagt (vgl. Matth 12,20) und
aus diesem Geist wirkten auch sein Jünger.
Vielleicht sollte sich die heutige Kirche wieder stärker an
dieser Haltung orientieren?
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