Judentum - Ein Überblick
1.0 Gängige Namen und Bezeichnungen
· Hebräer: Dieser Name gilt im Alten Orient als Bezeichnung
für Tagelöhner, später für die Stämme der
Israeliten.
· Israeliten: einerseits Nachkommen der biblischen Patriarchen,
andererseits auch Bezeichnung für die Bewohner des Nordreiches
Israel
· Juden: Der Name Jude(n) ist in biblischer Sicht auf Juda, den
vierten Sohn Jakobs, zurückzuführen. Er bezeichnet zunächst
die Angehörigen des Stammes Juda und wird nach dem Untergang
des Staates Juda (587 v. Chr.) für alle Angehörigen des
Volkes verwendet.
· Israelis: Bewohner des heutigen Staates Israel
1.1 Entstehungszeit
Um 2000 v. Chr. (Abraham)
Um 1250 v. Chr. (Mose)
1.2 Entstehung bzw. »Begründung«
Das Judentum ist geprägt durch seine geschichtliche Entwicklung.
Es ist eine Religion der »Väter« (Abraham, Isaak
und Jakob). Eine besondere Bedeutung kommt Mose zu, der als eigentlicher
Begründer des Stämmeverbandes Israel gilt.
1.3 Geschichtliche Stationen
· Anfänge (ca. 1800 bis 1250 v. Chr.)
· Exodus; Landnahme; Richterzeit (1250-1020 v. Chr.)
· Königszeit; Zerfall des Reiches (in das Nordreich Israel und
das Südreich Juda); Exil
· 538 v. Chr. Rückkehr der Juden aus der babylonischen Gefangenschaft
· 515 v. Chr. Neubau des Tempels
· 166 - 142 v. Chr. Makkabäeraufstand
· 63 v. Chr. Israel gerät unter römische Oberherrschaft
und verliert seine politische Selbstverwaltung
· ca. 30 n. Chr. Hinrichtung Jesu
· 66 - 70 n. Chr. Aufstand gegen die Römer
· 70 n. Chr. Zerstörung Jerusalems und des Tempels
· 1938 - 1945 Nationalsozialistischer Judenmord
· 1948 Gründung des Staates Israel
1.4 Verbreitung
Das Judentum ist hauptsächlich in Israel verbreitet. Viele
Juden leben in den USA oder in der Diaspora. Das Judentum hat zahlreiche
Verfolgungen überlebt, ebenso die Gefahr der Verschmelzung
mit den Gastvölkern in der Diaspora und die Verfolgung durch
den Nationalsozialismus. Weltweit gibt es ca. 16 Millionen Juden.
1.5 Grundüberzeugungen
· Es gibt nur einen einzigen Gott (Monotheismus). Dieser ist Jahwe,
der »der immer für sein Volk da ist«
· Jahwe wirkt in der Geschichte. Er hat sein Volk aus der Knechtschaft
in Ägypten befreit (Exodus). Er hat mit ihm einen Bund am Berg
Sinai geschlossen
· Der Wille Gottes, den sein auserwähltes Volk erfüllen
soll, ist im »GESETZ« (= Thora = Weisungen) – insbesondere
in den Zehn Geboten – niedergelegt
· Ziele dieses »Gesetzes« sind die Verehrung Gottes
und ein Leben in Gerechtigkeit
1.6 Heilige Schriften
· Die heilige Schrift des Judentums ist die Thora; in ihrem Kern
steht der Pentateuch (= die »fünf Bücher Mose«:
Genesis, Exodus, Levitikus, Numeri und Deuteronomium).
· Weiters gehören die »Propheten« und die »Schriften«
zur alttestamentlichen Offenbarung.
· Talmud (»Studium«, »Lehre«): Sammlung
von verbindlichen Auslegungen der Thora durch jüdische Schriftgelehrte.
2.0 Glaube und Leben
2.1 Gottesvorstellung
Juden glauben an einen einzigen Gott (Monotheismus), zu dem sie
täglich beten: »Höre, Israel! Jahwe, unser Gott,
Jahwe ist einzig! Darum sollst du den Herrn, deinen Gott, lieben
mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit ganzer Kraft!«
(Dt 6,4f). Jahwe soll nicht in Bildern dargestellt werden, weil er
größer ist als alle bildlichen Vorstellungen. Jahwe hat
das Volk Israel auserwählt und mit ihm einen Bund geschlossen.
Als »Bundesweisung« gilt die Thora, die Weisung Jahwes,
die das Bundesverhältnis zu ihm und das Zusammenleben mit den
Mitmenschen regelt.
Die sich wandelnden Gottesvorstellungen des Volkes Israel werden
entscheidend durch seinen jeweiligen Lebensraum mitgeprägt:
Als Israel noch als Hirten- und Nomadenvolk umherzieht (ca. 1800
bis 1300 v. Chr.) erfahren sie die Güte und die Macht Gottes
in ihrem Lebensbereich auf der Wanderschaft und dadurch, dass sie
zu besseren Weideplätzen geführt werden.
Bei der Landnahme in Kanaan (13. Jhd. v. Chr.) wandelt sich die
Situation grundlegend. Beim Übergang vom Hirten- zum Bauernleben
geraten sie oft in Versuchung, den Kult der kanaanäischen Fruchtbarkeitsgötter
zu übernehmen. In der Auseinandersetzung mit den Baalsgöttern
lernt Israel, dass Jahwe nicht nur der Gott der Geschichte ist,
der sein Volk führt, sondern auch der Gott der Natur, ein Gott,
der die Früchte des Landes schenkt.
In der Zeit des babylonischen Exils (586 bis 538 v. Chr.) erfährt
Israel, dass das Schicksal nach babylonischem Verständnis von
den Gestirnen gelenkt wird, die als Götter verehrt werden.
Jüdische Priesterschriftsteller formulieren hingegen ein Bekenntnis
zu Jahwe, der alles erschaffen hat. Die Israeliten leben in der
Überzeugung, dass Jahwe sein Volk aus dem Exil führen
und seine Macht über alle Götter und fremden Völker
zeigen wird.
2.2 Welt und Mensch
Die Welt wurde von Jahwe erschaffen. Der Mensch ist Geschöpf
und Abbild bzw. »Ebenbild Gottes« (vgl. Gen 1,26f).
Gott hat ihn zum Herrscher über die Schöpfung gemacht.
Er ist von Gott erwählt und sein Bundespartner und zu einem
Leben nach den Weisungen der Thora berufen.
2.3 Erlösung, Heil und Jenseits
Jahwe schenkt seinem Volk Israel das Heil. Die Geschichte ist letztlich
eine HEILSGESCHICHTE, weil er alles – trotz aller Bedrängnisse
– zum Guten lenken wird. Damit verbunden ist die MESSIASHOFFNUNG,
die Hoffnung auf eine messianische Zeit des Friedens und der Gerechtigkeit,
die Gott seinem Volk zuteil lassen wird.
Im religiösen Tun wird hier und jetzt die Weisung Jahwes,
das Kernstück des Judentums, weitergegeben. Die gläubigen
Juden hoffen auf eine Vollendung am Ende der Zeiten.
Der Glaube an ein Leben nach dem Tod wuchs im Volk Israel nur langsam.
Das bezeugen die älteren Bücher des AT. Noch zur Zeit
des Königs David (um 1000 v. Chr.) glaubten die Israeliten,
dass der Tote in die Unterwelt steigt, in der er ein Dasein als
»Schatten« und in Vereinsamung und Verlassenheit führt.
Erst 500 Jahre später keimte die Hoffnung auf ein Leben bei
Gott (vgl. Dan 12,2; 2 Makk 7,14).
2.4 Leben nach dem Gesetz
Entscheidend für die Juden ist das Leben nach der Thora, bei
der das Liebesgebot im Mittelpunkt steht. Die religiöse Erziehung
und die Aufnahme in die Gemeinde der Erwachsenen (Bar oder Bat Mizzba)
verstärken das Gefühl der Besonderheit und der Zusammengehörigkeit
des jüdischen Volkes.
Das jüdische Leben wird vor allem von der Feier des Sabbat
in der Synagoge und zu Hause bestimmt.
Die Sabbatheiligung beginnt
mit dem Vorabend vor Eintritt der Dunkelheit und wird durch verschiedene
Gebete, Riten und Bräuche begangen. Dabei soll jede Arbeit
ruhen; aber auch viele Tätigkeiten sind untersagt.
Wichtig für die jüdische Lebensführung sind zahlreiche
Speisegesetze, die koschere (hebr. = taugliche) Speisen festlegen.
Das Ritualgesetz unterscheidet streng zwischen rein und unrein,
wobei die Reinheit oft durch Waschungen wiederhergestellt wird.
Das Leben gläubiger Juden wird durch das Gebet geprägt,
das am Morgen, am Mittag und am Abend in festgelegter Form verrichtet
werden soll.
2.5 Kult, Feste und Feiern
Kultstätten: Synagoge, Tempel, Haus
Heilige Stätte: die Klagemauer in Jerusalem
Amtsträger: Rabbiner, Hausvater
Wichtige Feste: Jeder Sabbat ist ein heiliger Tag. Die drei großen
Wallfahrtsfeste sind von der biblischen Geschichte geprägt:
· Das Pessachfest (Pascha) erinnert an den Auszug aus Ägypten
· Das Fest Schawuot dient dem Gedächtnis an den Bundesschluß
am Sinai und an den Empfang der Zehn Gebote
· Das Laubhüttenfest erinnert an die Wüstenwanderung
· Jom Kippur ist der Versöhnungstag
· Das Chanukka-Fest spiegelt das Gedenken an das Wiederentzünden
des Leuchters im erneuerten Tempel 165 v. Chr. und wird mit dem
feierlichen Anzünden von Lichtern begangen
3.0 Judentum und Christentum
Das II. Vatikanische Konzil hat eine Erklärung über das
Verhältnis der katholischen Kirche zu den Juden veröffentlicht.
Darin wird betont, dass Gott den Juden als seinem Volk, mit dem
er einen Bund geschlossen hat, die Treue hält.
Die Kirche ist durch Jesus Christus Miterwählte des Bundes Gottes.
Es wird deutlich festgestellt, dass man weder alle Juden zur Zeit
Jesu noch von heute dafür verantwortlich machen darf, dass
Jesus am Kreuz gestorben ist. Das Konzil verurteilt jede Form der Feindschaft und des Hasses
gegenüber den Juden (Antisemitismus).
Übernommen von Günther Bader
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