› Weltgipfel - Brainstorming für eine bessere Welt

1.0 Die Konferenz in Johannesburg

10 Jahre nach dem Umweltgipfel von Rio fand der Weltgipfel (WSSD: »World Summit on Sustainable Development«) vom 24.8.2002 bis 4.9. 2002 in Johannesburg statt. Es wurden über 60.000 Delegierte aus aller Welt erwartet. Darunter über 104 Staats- und Regierungschefs. Das Fernbleiben von US Präsident Bush wurde von der Mehrheit der Delegierten kritisch beurteilt. Weiters fanden sich 800 Unternehmensführer auf Einladung des Bussiness Action for Sustainable Development (BASD), eine gemeinsame Initiative der International Chamber of Commerce (ICC) und dem Wold Business Council for Sustainable Development (WBCSD), ein, um ihr Interesse an der nachhaltige Entwicklung zu zeigen und um über den Fortschritt, entstehend aus dem Weltgipfel, zu diskutieren. Zahlreiche internationale Stiftungen lieferten ebenfalls ihre Beiträge und Anregungen für die Diskussion.
Vor allem die Entwicklungsländer erhofften sich eine starke EU-Führung, da diese die treibende Kraft in der Zusammenarbeit und Ratifizierung darstellt.

1.1 Hauptthemen

· Die Stärkung der Rolle der Wirtschaft für die nachhaltige Entwicklung,
· die Integration der Umwelt- und Entwicklungspolitik in das politische Tagesgeschäft (u.a. Erfahrungsaustausch von ISO 14000 und EMAS)
· sowie die Bekämpfung der Armut in den Entwicklungsländern durch eine nachhaltigere Wirtschafts- und Entwicklungspolitik.
· Weiters galt der freie und faire Handel zwischen entwickelten und nichtentwickelten Ländern als vorrangig und konkretes Ziel des Weltgipfels

1.2 Diskussionsverlauf

Zum Zankapfel innerhalb der EU wurden die Agrar-Subventionen. Nach Aussage des Weltbank Vizepräsidenten Ian Johnson werden diese Subventionen ineffizient genutzt und fließen nicht in die Hände von Bedürftigen. Die Weltbank sah ihre bisherige Finanzpolitik kritischer, und wollte daher zukünftig ihre Subventionspolitik stärker nach ökologischen und sozialverantwortlicheren Kriterien gestalten. Der US-amerikanische Delegationsleiter John Turner blockierte mit Unterstützung von Australien weiterhin den Abbau der Agrarsubventionen. Durch die westlichen Agrarsubventionen (USA, Australien, Kanada, EU) wird der Zugang zu den relevanten Weltmärkten für die Entwicklungsländer erschwert und der gleichberechtigte Wettbewerb verzerrt.

Ein Anliegen von Bundeskanzler Schröder war der wettbewerbsverzerrende Einsatz von Agrarsubventionen. Die USA, Frankreich, Irland und Spanien wollten weiterhin Direktsubventionen für ihre Landwirte. Tony Blair unterstützte den Abbau von Agrarsubventionen.

Ein weiteres Top-Thema war die Wasserversorgung, da weltweit 1,5 Mrd. Menschen keinen Zugang zu hygienischem Trinkwasser besitzen.

Harvard Professor John Ruggie sah bezüglich des Weltgipfels die Notwendigkeit, für den Welthandel effektivere Regeln zu entwickeln. Er forderte, dass sich Unternehmen verpflichten Menschenrechte und Umweltschutz in ihrer Tagespolitik umzusetzen. Ruggie empfahl den EU-Regierungen mehr Selbstbewusstsein gegenüber den USA und »globalen Multis« zu entwickeln. Er kritisierte weiters die schlechte Vorbereitung und Organisation der Regierungen, sodass der Gipfel wie eine Show der Konzerne wirke.

Auch die Autoindustrie versucht mit neuen Technologien wie z.B. Wasserstoffantrieb (BMW) oder 1-Liter-Auto (VW) ihren Beitrag zur Schonung von Umwelt und Ressourcen zu leisten.

Zahlreiche internationale Firmen wie BP, Shell, Daimler-Chrysler, General Motors, Ford, Bayer, Conoco, Cafarge, Chevron Texaco u.v.m. bedauerten den »Mangel am politischen Willen der Regierungen«, die Treibhausgase zu verringern. Sie zielten amit auf die Schlechterstellung der »umweltfreundlicheren« Unternehmen, die auf Basis der freien Marktwirtschaft für ihre zusätzlichen, nicht gesetzlich geforderten Umweltbestimmungen finanziell bestraft werden. Die weltweiten, spürbaren Klimaveränderungen sind Hilfeschreie der Erde.

Der Präsident des World Business Council for Sustainable Development Björn Stiyson und Greenpeacedirektor Remi Parmentier forderten die Politik auf, Verantwortung zu übernehmen und die Treibhausgase dauerhaft zu senken. Auch wenn die US-amerikanische Delegation nicht namentlich von den Wirtschaftvertretern kritisiert wurde, ist sie der eigentliche Adressat des Appells. Die USA ist die einzige relevante Industrienation, die aus dem Kyoto-Protokoll ausgestiegen ist. (Ziel des Kyoto-Protokoll ist es, die CO2-Emmission gegenüber 1990 um 5,2% zu senken, EU-weit um 8%) Die Delegation der USA wollte sogar die Ergebnisse des Weltgipfels vor 10 Jahren in Rio zurückverhandeln.

Für den deutschen Bundeskanzler Schröder stellte sich der Klimawandel als »bittere Realität« dar. Flutkatastrophen wie in China oder Deutschland, so Schröder, seien deutliche Indikatoren des Klimawandels. Schröder appellierte an die USA und Russland das Klimaschutzprotokoll von Kyoto zügig umzusetzen. Die USA und andere Öl fördernde Länder (OPEC) lehnten das Ziel bisher ab, erneuerbare Energieformen (Wind, Sonne und Wasserkraft) bis 2010 auf einen Marktanteil von 15% zu bringen. Schröder kündigte an, die erneuerbaren Energien in den nächsten 5 Jahren mit 500 Mio. Euro zu fördern.

Der Generalsekretär der Vereinten Nationen, Kofi Annan, appellierte an die Industrieländer, sich mehr für das nachhaltige Wirtschaften zu engagieren. »Sie [die reichen Länder] haben das Vermögen, die Technologie und sie tragen unverhältnismäßig stark zu den globalen Umweltproblemen bei« so Annan.

Der südafrikanische Staatspräsident Thabo Mbeki appellierte an die Delegierten, »konkrete Ziele zu setzen, um der Umwelt und den Entwicklungsländern zu helfen. Nichts kann ein Verfehlen dieses Weltgipfelzieles rechtfertigen«.
Der Gipfel war durchwegs von harten Verhandlungen gekennzeichnet. Die Mehrzahl der Delegierten kritisiert die »Blockadestrategie« der Bush-Delegation.

Diese störte durch die Blockadehaltung zahlreiche mögliche Kompromisse. Ärgerlich war aber nicht nur die Bush-Strategie, sondern auch das uneinheitliche Auftreten der EU-Delegation. Insbesondere beim Abbau der wettbewerbsverzerrenden Agrarsubventionen konnten sich Frankreich, Spanien und Irland den deutsch-britischen Vorschlägen nach wie vor nicht anschließen.

Positiv ist der Vorschlag des deutschen Kanzlers Schröder aufgenommen worden, sowohl Energiepartnerschaften mit 500 Mio. Euro, als auch die Steigerung der Energieeffizienz mit ebenfalls 500 Mio. Euro zu fördern. Ebenso positiv wurde der deutliche Appell in Richtung Bush-Regierung wahrgenommen, zumindest einen Kyoto - gleichwertigen Beitrag zur CO2-Minimierung zu leisten.

Der britische Premierminister Tony Blair schloss sich der US-Kritik von Schröder an. Ebenso kritisierte der französische Präsident Jacques Chirac das Verhalten der Bush-Administration: »Die Konferenz von Johannesburg ist ein Rendezvous mit dem Schicksal« so Chirac. Frankreich und die EU sind nach Ansicht von Chirac bereit ein Bündnis mit den Entwicklungsländern zu schließen, um eine »ökologische Revolution« des Produktions- und Konsumverhaltens einzuleiten. Konkret wollte Chirac mit einer internationalen Solidaritätsabgabe gegen die weltweite Armut kämpfen.

2.0 Resultate

Der Weltgipfel von Johannesburg hat es nicht geschafft, den von UN-Generalsekretär Kofi Annan geforderten historischen Fortschritt im Sinne der Menschheit und der Umwelt zu erreichen. Dennoch gab es in Teilbereichen Fortschritte.
Keinem der politischen Verantwortlichen ist es gelungen, unumkehrbare bindende multinationale und völkerrechtlich verbindliche Vereinbarungen zu lancieren. Einzelne Politiker wie Thabo Mbeki und Gerhardt Schröder haben zumindest glaubwürdige Zeichen gesetzt und die Blockadehaltung der Bush-Delegation im Bereich der Abwasserversorgung durchbrochen. Ebenso konnte der internationale Schutz der biologischen Vielfalt wiederhergestellt werden, aus dem die USA und andere Staaten zuvor ausgestiegen waren. Beim Klimaschutz konnte sich die EU-Delegation gegenüber der USA nicht durchsetzen. Kanada, Australien, China und Russland konnten dazu überredet werden, dem Kyoto-Protokoll zur Reduzierung der Treibhausgase in absehbarer Zeit beizutreten. Insgesamt konnten wichtige Teilerfolge mit konkreten Zielvorgaben im Bereich Wasser/Abwasser (bis 2015), der Erhaltung der biologischen Vielfalt (bis 2015), dem Schutz vor gesundheits- und umweltschädlichen chemischen Schadstoffen (bis 2020) und – »wenn möglich« – der Schutz der Fischbestände in den Weltmeeren (bis 2015) erzielt werden.

Der ehemalige Vorstand von Shell, Sir Mark Moody-Stuart, sieht als Hauptproblem des Umweltgipfels die Handlungsunfähigkeit der Politik. Der Direktor der Umweltverbandes Friends of the Earth, Charles Secret, wertet den Umweltgipfel von Johannesburg als »schlimmsten politischen Ausverkauf seit Jahrzehnten.«

Ebenso bedauert Barbara Stocking, Direktorin von Oxfarm, die vertane Chance, die wettbewerbsverzerrenden Agrarsubventionen abzubauen.

Dennoch sprach sich der Weltgipfel für den Abbau umweltschädlicher Subventionen aus. Der Abbau von Agrarsubventionen scheiterte nicht nur an den USA, sondern auch an der Haltung von Frankreich, das an den Agrarsubventionen festhalten will. Von der Mehrheit der Delegierten war zu hören, dass das Scheitern der EU-Initiative zur Förderung der erneuerbaren Energien besonders bedauerlich sei. Die Bush-Delegation und die OPEC boykottierten diese EU-Initiative massiv. Selbst US-Unternehmensverbände kritisierten auf das schärfste diese Blockadehaltung.

Die Tatsache, dass die EU auf Druck der USA den Zusatz »wenn möglich« im Abschlussdokument vermerkt hat, zeigt deutlich die Verfälschung der Ideale und Zielsetzungen.

Der WWF Umweltexperte Daniel Miller gab zu bedenken, dass ein Trend zur Verwässerung der Ziele vom Weltgipfel nicht einreißen darf.

Michael Marvin, Präsident des US-Council for Sustainable Energy, kritisierte die Haltung der Delegation seines Landes: »Zwei Wochen haben wir Reden über nachhaltige Entwicklung und Umweltschutz gehört, am Ende haben wir wieder vorherigen Status Quo erreicht.«

2.1 Persönliches Fazit

Eine historische Möglichkeit wurde in Johannesburg vertan. Einzelne Teilerfolge geben dennoch Grund zur Hoffnung:
So wurden Initiativen gesetzt, die zur Halbierung der Anzahl der Menschen (ca. 1,5 Mrd.) führen werden, die ohne Abwasser- und Sanitärsysteme leben müssen. Millionen Menschen werden demnach nicht mehr an vermeidbaren Krankheiten sterben müssen.

Schon über 80 Staaten traten der EU-Initiative zur Förderung nachhaltiger Energien bei, mit dem Ziel, den Ausbau erneuerbarer Energien auf weltweit 15 Prozent bis 2010 festzuschreiben.

In wichtigen Bereichen wurden Teilerfolge erzielt sowie wichtige politische Signale gesetzt. Dank der EU-Initiative ist es gelungen, das Kyoto-Protokoll zum Klimaschutz politisch zu retten. Russland und Kanada ratifizierten das Protokoll noch im selben Jahr. In den letzten Konferenzstunden wurde bei der größten Konferenz in der UN-Geschichte ein Aktionsplan zum Schutz der Umwelt von 191 Staaten verabschiedet. Die global aktiven Unternehmen werden aufgefordert, Verantwortung für die Nachhaltige Entwicklung zu übernehmen und darüber Rechenschaft abzulegen.

Petra Kruder, Roman Feucht (Mai 2003, 5BK)

Zur Recherche wurden vor allem aktuelle »Johannesburg-News« und die Informationen zum Weltgipfel 2002 herangezogen.