› Mitgefühl - Der Weg der Liebe

1.0 Gott im Menschen dienen - Gebete von Mutter Theresa

Herr, gib mir einen sehenden Glauben,
dann wird meine Arbeit nie zur Plage,
und ich werde neue Freude finden,
im Eingehen auf Launen, im Erfüllen der Wünsche aller armen Leidenden.
Ihr geliebten Kranken, wie seid ihr mir doppelt teuer,
da ihr mir Christus verkörpert;
und welch große Gnade ist es mir, euch pflegen zu dürfen.
Liebster Herr, lass mich die Würde meiner hohen Berufung einsehen,
mit all ihren Verpflichtungen.
Lass nie zu, dass ich ihrer unwürdig werde,
indem ich in Kälte verfalle,
in Unfreundlichkeit oder in Ungeduld.
Und, oh Herr, da du Jesus bist,
mein Patient, sei gnädig auch mein geduldiger Jesus,
verzeih mir meine Fehler und schau nur auf meinen Willen,
der sich darauf richtet, dich zu lieben, dir zu dienen,
in der Person eines jeden Kranken.
Herr, stärke meinen Glauben, segne mein Tun und meine Arbeit, jetzt und immer.

1.1 Einheit von Gottes- und Nächstenliebe

Liebster Herr.
Werde ich dich, verkörpert in deinen Kranken,
heute und jeden Tag sehen, und,
während ich sie pflege, deine Schmerzen lindern?
Wenn du dich auch verbirgst
unter dem abstoßenden Mantel des Gereizten,
des Fordernden, des Unvernünftigen,
darf ich dich doch erkennen und sagen:
»Jesus, mein Patient, wie süß ist es dir zu dienen!«

2.0 Mutter Theresa anläßlich der Verleihung des Friedensnobelpreises

»Ich vergesse es nie, wie ich einst einen Mann von der Straße auflas. Er war mit Maden bedeckt. Sein Gesicht war die einzige Stelle, die sauber war. Ich brachte den Mann ins Heim für Sterbende und er sagte nur einen Satz: "Ich habe wie ein Tier auf der Straße gelebt, aber nun werde ich wie ein Engel sterben, geliebt und umsorgt." Und er starb wunderschön. Er ging heim zu Gott. Der Tod ist nichts anderes als ein Heimgang zu Gott. Ich spürte, er erfreute sich an dieser Liebe, dass er erwünscht war, geliebt, dass er für jemanden jemand war.«

»Ich vergesse nie ein kleines Kind, einen Hindujungen von vier Jahren. Er hatte irgendwie gehört: ›Mutter Theresa hat keinen Zucker für ihre Kinder.‹ Er ging nach Hause zu seinen Eltern und sagte: ›Ich will drei Tage lang keinen Zucker essen, ich schenke ihn Mutter Theresa.‹ Nach drei Tagen mussten seine Eltern ihn zu mir bringen, und er schenkte mir ein kleines Gläschen Zucker. Wie sehr liebte das kleine Kind! Es liebte, bis es weh tat. Vergessen Sie nicht, dass es viele Kinder, viele Frauen, viele Männer auf dieser Welt gibt, die das nicht haben, was Sie haben, und denken Sie daran, dass Sie auch jene lieben, bis es weh tut.«

»Eines Tages kam ein Herr zu mir und sagte: ›Dort lebt eine Hindufamilie mit acht Kindern, die schon lange Zeit hungern.‹ Ich nahm Reis und brachte ihn dort hin. Ihre Augen glänzten vor Hunger. Während ich noch dort war, teilte die Mutter den Reis und ging mit einer Hälfte hinaus. Als sie zurückkam fragte ich sie, was sie getan habe. Sie antwortete: ›Sie sind auch hungrig.‹ Sie wusste, dass ihre Nachbarn, eine Moslemfamilie, auch hungrig waren. Was mich am meisten erstaunte, war nicht, dass sie den Nachbarn etwas mitgab, sondern dass sie in ihrem Leiden, in ihrem Hunger wusste, dass noch jemand anderer hungrig war. Sie hatte den Mut zu teilen und die Liebe zu eilen.«

»Dies ist es, was ich von Ihnen wünsche: Lieben Sie die Armen, und wenden Sie ihnen nicht den Rücken zu, denn wenn Sie den Armen den Rücken zuwenden, so wenden Sie ihn Christus zu. Er hat sich selbst zum Hungrigen gemacht, zum Nackten, zum Heimatlosen, so dass Sie und ich Gelegenheit haben, ihn zu lieben. Wo ist Gott? Wie können wir ihn lieben? Es genügt nicht, zu sagen: ›Mein Gott, ich liebe Dich!‹ Wir lieben Gott in dieser Welt, indem wir etwas aufgeben, etwas weggeben. Natürlich kann ich den Zucker selbst essen, ich kann ihn aber auch weggeben. Ich kann den Erwachsenen geben, ich kann den Kindern geben. Wenn wir den ganzen Tag gäben, das ganze Leben lang, so würden wir überrascht sein an jenem schönen Tag, an dem die Menschen teilen und sich darüber freuen.«

3.0 Praktizierte Güte - gemeinsamer Nenner unterschiedlicher spiritueller Traditionen

Inspiriert vom Versprechen Jesu »Was ihr dem Geringsten meiner Brüder tut, das habt ihr mir getan« entfaltete Mutter Theresa ihre beispielhafte Aktivität zum Wohl der Notleidenden Indiens. Damit setzte sie, über viele Grenzen hinweg, ein Zeichen, zu welchen Leistungen eine religiöser Perspektive Menschen zu inspirieren vermag. In Zeiten, in denen der Blick für die Schattenseiten spiritueller Sinngebungen geschärft ist, tut es gut, solche positiven Beispiele religiöser Motivation zu sehen. Gleichzeitig wird deutlich, dass Mutter Theresas Haltung des Dienens und der Selbstlosigkeit eine fundamentale Botschaft für die globale Zukunft beinhaltet, und dass sie darin ein Kernstück vieler ethischer Traditionen verwirklichte.

Im Blick auf Indien, kann man sagen, dass mit Mutter Theresa paradoxerweise eine katholische Nonne, im Ursprungsland des Buddhismus zur Verkörperung einer buddhistischen Grundidee wurde. Es ist dabei die Rede von der Haltung der »Allgüte«, die Buddha seinen Jüngern, neben »Mitfreude«, »Mitleid« und »Gleichmut«, zur ständigen Anwendung und Übung empfahl:

»Was es an Wesen und Geschöpfen gibt,
Ob schwach sie sind, ob stark sie sind,
Ob lang, ob kurz, ob dick, ob dünn,
Ob groß, klein, mittlerer Gestalt,

Ob sichtbar oder unsichtbar,
Ob ferne weilend oder nah,
Geboren oder ungebor´n:
Ach, möchten alle glücklich sein!

Nicht mög´ man miteinander zanken,
Verachten nicht, warum auch immer,
Auch nicht in Groll und Zornesstimmung
Sich gegenseitig wünschen Leid.

Gleichwie ihr eignes einz´ges Kind
Die Mutter mit dem Leben schützt,
So möge man zu allen Wesen
Das Herz entfalten unbeschränkt.

Zur ganzen Welt entfalte man
Ein Herz voll Güte unbeschränkt,
Nach oben unten, überall,
Von Zwang und Hass und Feindschaft frei.

Ob gehend, stehend, sitzend oder liegend,
Solange man von Mattheit frei ist,
Mög´ dieser Übung man ergeben sein,
Die als das göttliche Verweilen gilt.«

4.0 Mutter Theresa - Kurzbiographie

Mutter Theresa wurde am 27. August 1910 als Agnes Gonxha Bojaxhio in Skopje geboren, der heutigen Hauptstadt der selbständigen Republik Mazedonien. Sie wuchs in einer wohlhabenden albanisch-katholischen Familie auf, und wurde von ihren Eltern sehr religiös erzogen. Als sie zehn Jahre alt war, starb ihr Vater überraschend; sie widmete sich daraufhin noch mehr ihrem Glauben. Schon im Alter von zwölf Jahren entschied sie sich für ein Leben als Nonne. Dieser Wunsch wurde von ihr konsequent verfolgt und so bat sie im Alter von 18 Jahren um die Aufnahme in den Loreto-Orden.

Dieser Orden engagierte sich mit seinen Mitgliedern besonders im Unterrichtswesen in Bengalen (Indien). Sie konnte jedoch nicht sofort mit ihrer Arbeit in Indien beginnen, sondern wurde erst in die Zentrale des Loreto-Ordens nach Irland gerufen. Am 28. September 1928 reiste sie von Skopje nach Irland ab. Nach nur zwei Monaten durfte sie ihren Wunsch erfüllen und sich dem Loreto-Orden in Bengalen anschließen. In Kalkutta legte sie ihr erstes Gelübde ab. Daraufhin war sie 17 Jahre in der St. Mary´s School in Kalkutta tätig. Erst war sie Lehrerin, dann wurde sie zur Direktorin befördert.

Auf einer ihrer zahlreichen Fahrten durch die Millionenstadt Kalkutta verspürte sie 1946 die göttliche Berufung, den Armen zu helfen. Erst zwei Jahre später erhielt sie die Erlaubnis, den Orden zu verlassen. Theresa wurde exklausiert, d.h. sie konnte den Orden verlassen, ohne ihren Nonnenstatus aufgeben zu müssen. Fortan lebte Theresa unter den Ärmsten der Armen in den Slums von Kalkutta. Ein berühmt gewordenes Porträt von ihr im Magazin LIFE brachte ihr den Beinamen »Saint of the Gutters« ein.

Sie war 1949 selbst Inderin geworden und gründete 1950 den Orden »Missionarinnen der Nächstenliebe«. Die Mitglieder dieses Ordens mussten sich der Ehelosigkeit, der Armut und dem Gehorsam verpflichten. Später wurde der Orden vom Papst anerkannt und unterstand seiner Kontrolle. Theresa kümmerte sich mit ihrem Orden besonders um Sterbende, Waisen und Kranke. Ihr spezielles Engagement lag jedoch in der Betreuung der Leprakranken. Heute gehören über 3000 Ordensschwestern und über 500 Ordensbrüder in über 100 Ländern der Erde dem Orden von Mutter Theresa an. Für ihr selbstloses Wirken erhielt sie zahlreiche Preise. Der bedeutendste war ohne Zweifel der Friedensnobelpreis 1979.

Auf die oftmals mangelnde medizinische Ausbildung ihrer Mitarbeiter pflegte Mutter Theresa zu entgegnen: »Nicht der Erfolg, sondern die Treue im Glauben ist wichtig.« Neben der weltweiten Anerkennung für ihre Arbeit wurde sie für ihre konservative Weltanschauung kritisiert. So sah sie in der Abtreibungspolitik vieler Länder die »größte Bedrohung für den Weltfrieden«. Als in Irland darüber abgestimmt werden sollte, ob die Ehescheidung legalisiert werden sollte, rief sie die Iren dazu auf, mit Nein zu votieren.

Wenige Tage nach dem Tod von Prinzessin Diana, den sie sehr bedauert hatte, starb Mutter Theresa am 5. September 1997. Unter großer Anteilnahme der Weltöffentlichkeit wurde sie in Kalkutta beigesetzt. Ihr Lebensmotto war: »Yesterday is gone. Tomorrow has not yet come. We have only today. Let us begin.«

Quellenhinweise:
Die Gebete Mutter Theresas stammen von einer Lyrik-Seite; außerdem findet man im Internet den kompletten Text der Rede zur Verleihung des Nobelpreises und biographische Hinweise von Dadalus. Zum Metta-Gebet vgl. Nyanatiloka, Der Weg zur Erlösung, Buddhistische Handbibliothek, bzw. die Texte des Palikanon.