Sexualität - Kirchliche Standpunkte
1.0 Die Sicht der Bibel zum Thema Sexualität
In der Heiligen Schrift wird Gott als Schöpfer der Welt und
aller Lebewesen betrachtet. Er hat die Menschen als sein Abbild
geschaffen und somit alles »gebildet«, was zur Sexualität
dazugehört. Damit sagt die Bibel: Sex ist nichts Anrüchiges,
Verbotenes. Es ist eine von Gott gewollte Gabe an die Menschen.
Im Alten Testament finden sich viele Teile, in denen der Liebe gehuldigt
wird und worin sich sogar Ausdrücke der Erotik finden, wie
beispielsweise im Hohelied. Die Grundaussage der alttestamentlichen
Auffassung ist ein positives Verhältnis zum Sexuellen, das
Glück und der damit verbundene Stolz einer zahlreichen Nachkommenschaft
und die Freude am Leiblichen. Kinderreichtum ehrt die Frau, es ist
ein Zeichen des Wohlwollens Gottes, wie zum Beispiel bei Abraham
und Ijob. Wenn die Bibel dennoch von Menschen berichtet, die an
ihrer Sexualität scheitern oder sie missbrauchen, kommt dies
daher, dass Gott die Sexualität von Anfang an in einer Zweierbeziehung,
die auf Dauer angelegt ist, gesehen hat.
2.0 Was sagt die Bibel zum Thema »Sex vor der Ehe«?
Wenn man nun konkret eine Beantwortung dieser Frage sucht, fehlt
in der Bibel allerdings das elfte Gebot: »Du sollst nicht
vor der Ehe...«. Verständlich ist, dass es hierzu keine
direkte Anweisung gibt, weil die heute weitverbreitete Frage »Sex
ohne Ehe« in diesem Sinne kaum vorkam. Es gab damals keinen
Raum für eine solche Lebensform.
Durch den Satz im Buch Genesis 2,24 wird die biblische Lebensordnung
deutlich: »Darum verlässt der Mann Vater und Mutter und
bindet sich an seine Frau, und sie werden ein Fleisch«. Besonders
wichtig ist die logisch aufeinanderfolgende Ordnung – verlassen,
binden, ein Fleisch werden. Eine Frau, ein Mann, in Liebe und Treue,
lebenslang (Markus 10,11)– das ist das biblische Bild. Und
nur in diesem Rahmen sieht die Heilige Schrift sexuelle Gemeinschaft.
Besonders deutlich äußert sich Paulus im ersten Brief
an die Korinther 7,9 zur Frage nach Sex außerhalb der Ehe:
»Wenn sie aber nicht enthaltsam leben können, sollen
sie heiraten. Es ist besser zu heiraten, als sich in Begierde zu
verzehren.« Dieser Vers macht klar, dass es eine Möglichkeit
zum Geschlechtsverkehr jenseits einer Ehe für die Bibel nicht
gibt.
3.0 Gegenwärtige Einstellung der Kirche zu »Sex vor
der Ehe«
In der heutigen Zeit unterscheidet die katholische Kirche bei diesem
Thema meist zwischen außerehelichen Beziehungen und vorehelichen
Beziehungen unter Verlobten/Versprochenen. Wenn Verlobte, die entschlossen
sind zu heiraten, eine voreheliche sexuelle Beziehung eingehen,
begehen sie aber aus der Sicht der Kirche eine weniger schwere Sünde
als diejenigen Jugendlichen, die ohne Absicht einer ehelichen Verbindung
miteinander schlafen.
Letztlich findet die Kirche jedoch in beiden Fällen Sex fehl
am Platz, weil beide Formen der Beziehung den Sinn einer unauflöslichen
Lebensgemeinschaft nicht (beziehungsweise noch nicht) erfüllen.
Im Gegensatz zu früher herrscht auf dem Gebiet der Sexualität
heute weniger Verbotsmoral. Hilfestellungen und Seelsorge stehen
im Vordergrund. Dies zeigen die vielen Broschüren und Bücher
für Jugendliche, durch die die Kirche zum gemeinsamen Warten
aufruft. Sie möchte überzeugen und die Teenager auf den
rechten Weg führen, indem sie ihnen Zeugnisse von anderen vorlegt.
Formulierungen wie »wahre Liebe wartet«, »wirkliche
Liebe ist geduldig« werden von der katholischen Kirche stark
vertreten. Sie ruft auf, auf jegliche sexuelle Beziehung vor der
Hochzeit zu verzichten und gegen den Strom zu schwimmen, indem man
sich weigert, zur Entwertung der Sexualität beizutragen.
4.0 Was sagt die Kirche zum Thema Masturbation?
4.1 Historische Entwicklung
Selbstbefriedigung galt in früheren Zeiten als unbeherrschte,
unkeusche Lust. Sie wurde von der katholischen Moraltheologie zu
den schwersten Sünden gezählt. Die katholische Kirche
machte sich die medizinischen Irrtümer im Zeitalter der Aufklärung
zunutze und argumentierte schließlich mit gesundheitlichen
Nachteilen als Folge von Selbstbefriedigung. 1967 meint der französische
Abbé M. Petitmangin, Onanie sei mit allen Mittel zu bekämpfen,
sie sei ein Laster wie für die Verheirateten die Verhütung.
1975 wendet sich Papst Paul VI. in »Erklärung zu einigen
Fragen der Sexualethik« gegen die »schwere Sünde
der Onanie«.
4.2 Gegenwärtige Einstellung der Kirche zur Masturbation
Beim Thema Selbstbefriedigung behält die katholische Kirche
ihren strengen Standpunkt bei. Sie prangert wie in alten Zeiten
die Selbstbefriedigung als eine schwere ordnungswidrige Handlung
an. Das Lehramt begründet ihr Festhalten an der Überlieferung
so:
»Der freigewollte Gebrauch der Geschlechtskraft, aus welchem
Grund er auch immer geschieht, widerspricht außerhalb der
normalen ehelichen Beziehungen seiner Zielsetzung wesentlich; denn
es fehlt ihm die von der sittlichen Ordnung geforderte geschlechtliche
Beziehung, jene nämlich, die den vollen Sinn gegenseitiger
Hingabe als auch den einer wirklich humanen Zeugung in wirklicher
Liebe realisiert.«
Anders aber als in früherer Zeit werden junge Menschen nicht
ausgestoßen und als Sünder hingestellt. Außerdem
liegt das Sündhafte der bewusst herbeigeführten Masturbation
nicht mehr wie vor einigen Jahrhunderten im Verschleudern des Samens
beziehungsweise im Empfinden der Geschlechtslust, sondern in der
eigensüchtigen Einstellung. Die direkt gewollte Selbstbefriedigung
wird in der Kirche als »Übel« dargestellt, weil
sie eine selbstzerstörerische Scheinform vermeintlicher Selbstliebe
ist. Denn Nächsten- und Gottesliebe sind nicht beteiligt, sie
werden zurückgewiesen.
Sidonie Artner, Robert Steiner (April 2003, 2AD)
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