3.4 Organisationsformen der Palliativmedizin

Obwohl das Ziel der Hospizidee überall gleich ist, gibt es bei der Realisierung große Unterschiede, was u. a. von der Struktur des Gesundheitswesen in den einzelnen Ländern abhängt. Weiterhin existieren innerhalb der verschiedenen Organisationsformen mangels einheitlicher Standards große Unterschiede in der qualitativen Umsetzung der Hospizidee und der Palliativmedizin.
Die Palliativmedizin arbeitet mir Ärzten verschiedener Disziplin, Krankenpflegepersonal und anderen Berufsgruppen zusammen die mit der ambulanten und stationären Betreuung unheilbar Kranker befasst sind. Das Leiden der Patienten soll umfassend gelindert werden, um den Patienten und den Angehörigen bei der Krankheitsbewältigung zu helfen und ihnen eine Verbesserung ihrer Lebenssituation zu ermöglichen. Eine der Hauptaufgaben der Palliativmedizin ist eine kompetente Schmerztherapie und Symptomkontrolle sowie die Integration der psychischen, geistig-seelischen und sozialen Bedürfnisse der Patienten und ihrer Angehörigen.

3.4.1 Ambulante Dienste

3.4.1.1 Hausarzt und Krankenschwester

Kranke Tumorpatienten möchten in der Regel zu Hause sterben und wenn dies nicht möglich ist, verbringen sie die meiste Zeit zu Hause. Der Hausarzt ist meistens der erste Ansprechpartner. Er gewährleistet die Kontinuität (lückenloser Zusammenhang) der Versorgung und koordiniert die verschiedenen Hilfsangebote, die der Patient benötigt. Der Hausarzt muss die Schmerztherapie und die Symptomkontrolle genauso beherrschen wie die Krankenschwester die Grundprinzipien der Palliativpflege. Darin liegt aber das Problem, denn die Ärzte haben unter Umständen während ihre Studiums nichts über Palliativmedizin, Schmerztherapie, Symptomkontrolle, Kommunikation mit Schwerstkranken und Sterbenden und Ethik im Zusammenhang mit Sterben und Tod gehört. Die Aus- und Fortbildung ist dem Arzt selbst überlassen, deshalb benötigen Hausärzte Unterstützung, um kompetente Hilfestellung zu geben.

3.4.1.2 Hausbetreuungsdienste – Ambulante Hospizdienste

Zur Verbesserung im ambulanten Bereich haben sich Hausbetreuungsdienste entwickelt. Die Hausbetreuung wurde in Deutschland in den letzten Jahren als Ehrenamtlichkeit gesehen und dies, obwohl der erste Hausbetreuungsdienst in Deutschland (Köln) nachweisen kann, dass die Betreuung Schwerkranker und Sterbender Professionalität erforderliche macht. Aufgaben eines spezialisierten Hausbetreuungsdienstes sind:
· Überwachung der vom Hausarzt eingeleitenden Schmerztherapie und Symptomkontrolle bezüglich Wirkung, Nebenwirkung und Regelmäßigkeit
· Anleitung und Qualifizierung von Familie, Freunden, Ehrenamtlichen und Sozialstationen in pflegerischen und schmerztherapeutischen Maßnahmen und Techniken
· psychosoziale Betreuung von Patienten und Angehörigen
· sozialrechtliche Beratung, Trauerarbeit.

Das ehrenamtliche Aufgabengebiet reicht von den Besuchsdiensten über praktische hauswirtschaftliche Tätigkeiten bis hin zur Sterbebegleitung. Die Tätigkeit der Ehrenamtlichen ist kein Ersatz notwendiger ärztlicher oder pflegerischer Hilfe und diese Tätigkeit unterliegt der professionellen Supervision. Um den Aufgaben gerecht zu werden, benötigt das Hausbetreuungsdienstteam eine intensive Fortbildung und Professionalität. Ziel des Hausbetreuungsdienstes ist es dem Wunsch des Patienten und seinen Angehörigen zu folgen. Ein Großteil der Tätigkeiten ist nicht durch die Krankenkasse abrechenbar.

3.4.2 Teilstationäre Dienste - Tageshospizidee

Das Tageshospizidee ist in Deutschland am wenigsten vertreten. 1997 registrierte die Bundesarbeitungsgemeinschaft Hospiz sieben Tageshospize. Es können grundsätzlich zwei Formen von Tageshospizen unterschieden werden. Die einen orientieren sich mehr an der Erfüllung psychosozialer Aufgaben (Beschäftigungstherapie, Krankheitsbewältigungsstrategien, Herstellung gesellschaftlicher Kontakte). Andere Zentren bieten zusätzlich ein intensives medizinisches Angebot mit kompetenter Schmertherapie, Symptomkontrolle und Physiotherapie an. Diese Tageshospize sind Teil eines stationären Hospizes, einer Palliativstation oder eines Hausbetreuungsdienstes. Sie sind Bindeglied zwischen ambulanten und stationären Hospizdiensten. Das Team besteht aus hauptamtlichen Mitarbeitern (Arzt, Krankenschwester, Beschäftigungstherapeuten, Physiotherapeuten) und Ehrenamtlichen.

Schwerpunkte der Arbeiten sind:
· Rehabilitation des Patienten,
· die Entlastung de Angehörigen,
· die Verhinderung einer stationären Aufnahme
· und die Verkürzung
einer Behandlung in einem Hospiz oder auf eine Palliativstation.

Die Arbeit des Tageshospiz ziel darauf ab, die Unabhängigkeit, das körperliche und seelische Wohlbefinden, die Würde und Selbstachtung so lange wie möglich aufrecht zu erhalten.

3.4.3 Stationäre Einrichtungen

Nicht jeder hat eine Familie und nicht jede Familie ist in der Lage, schwerstkranke Patienten im Endstadium zu pflegen und zu betreuen. Auch wenn Familienangehörige bereit sind, den Erkrankten zu pflegen, scheitert die Behandlung oft an den physischen und psychischen Überlastungen. Indikationen (Merkmale) für eine stationäre Behandlung sind
· eine unzureichende Symptomkontrolle,
· unzureichende Versorgung zu Hause durch Fehlen eines versorgenden sozialen Netzes
· und psychosoziale und seelische Krisen des Patienten, die ambulant oder auf einer Allgemeinstation nicht überwunden werden können.

4.0 Das Hospiz

Das Wort »Hospiz« steht im weiteren Sinn für eine Bewegung und Idee. Im engeren Sinn versteht man darunter die stationäre Verwirklichung der Hospizidee in einem »freistehenden« Gebäude mit eigener Infrastruktur. In Hospizen werden Menschen in der letzten Phase einer unheilbaren Krankheit unterstützt und gepflegt, damit sie die Zeit bewusst und zufrieden leben können. In den verschiedenen Ländern sind die Aufgaben und Ziele der Hospizbewegung gleich, Unterschiede sind in der Praxis aber deutlich. Dies wird Ihnen am Beispiel amerikanischer, britischer und deutscher Hospize deutlich gemacht.

4.1 Wer wird aufgenommen?

4.1.1 Aufnahmekriterien für amerikanische Hospize

· Die Lebenserwartung der Patienten darf nicht über sechs Monate betragen.
· Patienten und Angehörige müssen über den Zustand aufgeklärt sein.
· Alle Hospizpatienten müssen eine pflegende Bezugsperson haben.
· Die Hospizversorgung sollte aus Kostengründen zu Hause erfolgen.
· Hospizpatienten erhalten weniger ärztliche Betreuung.

4.1.2 Aufnahmekriterien für britische Hospize

· Patienten mit weit fortgeschrittener, fortschreitender, inkurabler (unheilbar) Erkrankung.
· Die Aufnahme der Patienten ist nicht an die Lebenserwartung von sechs Monaten gebunden.
· Patienten und Angehörige müssen nicht über den Zustand aufgeklärt sein, wenngleich dies wünschenswert ist.
· Hospizpatienten müssen keine pflegende Bezugsperson haben.
· Hospizarbeit ist intensive Arbeit für Patienten und Angehörige, die mehr ärztliche Betreuung benötigt.

4.1.3 Aufnahmekriterien in Deutschland

Einheitliche Aufnahmekriterien gibt es in Deutschland nicht. Patienten mit definierten Krankheitsbildern (Aids, Tumorerkrankungen) im Finalstadium werden ebenso aufgenommen wie Patienten mit Erkrankungen im nicht therapierbaren Stadium. Eine Festlegung ist aber notwendig, da das 2. GKV-NOG (Gesetzliche Krankenversicherung – Neuordnungsgesetz) kurz vor der Verabschiedung steht. Demnach sollen stationäre Hospize eine gesetzlich verankerte Grundlage zur Finanzierung erhalten. In diesem Gesetz wird ein Mindestbetrag festgelegt, der die Anrechnung von Leistungen anderer Sozialleistungsträger zulässt. Die Kosten dürfen nicht überschritten werden.
Die positive Entwicklung hat aber auch zur Folge, dass qualifizierte Krankenpfleger, psychosoziale und seelsorgerische Hilfe und ärztliche Präsenz verbessert und sichergestellt werden müssen.

4.2 Grundsätze der Hospizarbeit

In Hospizen werden schwerkranke und sterbende Menschen und deren Angehörige in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit gestellt. Ein Hauptanliegen von Hospiz und Palliativ Care ist es, die bestmögliche Lebensqualität bis zuletzt zu gewährleisten.

4.2.1 Die physische Ebene

Hier geht es vor allem um die Symptomkontrolle, um die Bekämpfung der körperlichen Schmerzen und um die unangenehmen Begleitsymptome mit Medikamenten zu lindern. Auf dieser Ebene ist der Arzt und das Krankenpflegepersonal zuständig. Die Hospizbewegung ermutigt Patientinnen, Patienten und Angehörige eine wirksame Schmerzbehandlung einzufordern.

4.2.2 Die psychische Ebene

Hier geht es um das seelische Gleichgewicht von lebensbedrohlichen Erkrankten. Die Patienten sollen das seelische Gleichgewicht und ein Stück Lebensqualität erlangen.

4.2.3 Die soziale Ebene

Erkrankte machen häufig die Erfahrung, dass sie auf Grund ihrer Diagnose aus bisherigen Beziehungen »hinausfallen«. Hospizdienste bieten eine Wegbegleitung auf Zeit an. Bestehende tragfähige Beziehungen werden bestärkt, die Angehörigen in ihrer Eigenverantwortung belassen.

4.2.4 Die spirituelle Ebene

Die Hospizbewegung anerkennt die individuellen Lebensentwürfe und Glaubensentscheidungen der Menschen und nimmt sie respektvoll zur Kenntnis. Patienten können mit Begleiterinnen und Begleitern über spirituelle Fragen sprechen, Seelsorger können hinzugezogen werden.
Die Patienten bestimmen selbst welchen Weg sie gehen möchten und wie weit und intensiv sie begleitet werden möchten.

4.3 Leitlinien für die Begleitung im Sinne der Hospizbewegung

· Im Zentrum stehen der Patient und seine Angehörigen. Schmerztherapie und Symptomkontrolle tragen dazu bei, dass Lebensqualität bis zuletzt erfahrbar wird.
· »Schmerz ist, was der Patient sagt!« Die palliative Betreuung wird individuell abgestimmt und ganzheitlich angewendet: körperlich, psychisch, sozial und spirituell.
· Familien, Angehörige und Freunde, schwerkranker Menschen werden unterstützt.
· Wahrhaftigkeit in der Kommunikation und Respekt vor Würde und Autonomie des Menschen gehören zum Wesen der Hospizbewegung.
· Niemand wird aus finanziellen, weltanschaulichen oder ethischen Gründen von der Betreuung ausgeschlossen.
· Offenheit für religiöse Bedürfnisse ist gerade auch dort erforderlich, wo Patienten und Helfende nicht der gleiche Glaube verbindet. Das Angebot spiritueller Begleitung nimmt darauf Rücksicht.
· Aus- und Weiterbildung ist für das Palliativ-Care-Personal sehr wichtig. Ehrenamtliche Begleiter werden ausreichend auf ihre Tätigkeit vorbereitet.
· Haupt- und ehrenamtliche Mitarbeiter bemühen sich um die Balance zwischen helfender Nähe und heilsamer Distanz.
· Der Auf- und Ausbau der palliativen Versorgung erfordert die interdisziplinäre Zusammenarbeit von ambulanten und stationären Institutionen und von haupt- und ehrenamtlichen Helfenden.

4.4 Palliativstationen

Die Palliativstation ist neben dem Hospiz eine weitere Umsetzung der Hospizidee im stationären Bereich. Sie ist entweder in ein Krankenhaus integriert oder diesem angegliedert. Es gibt eine Reihe von Gründen, warum Palliativstationen in Krankenhäusern etabliert werden sollten:
· Die meisten Menschen sterben in Krankenhäusern.
· Die Endphase der Erkrankungen kann nur sehr selten vorausgesagt werden. Hospize können deswegen nur ausnahmsweise Patienten aufnehmen, die keine Tumorerkrankung oder Aids-Erkrankung haben.
· Die Weiterbildung interessiert nur diejenigen die bereits Sterbende begleitet haben. Die Hospizarbeit muss als Standard gelten und nicht als Ausnahme.
· Viele sterbende Patienten haben medizinische und psychosoziale Probleme, die hohe fachliche Kompetenz erfordern.

Es müssen personelle Voraussetzungen gegeben sein, um die Arbeit auf einer Palliativstation leisten zu können. Das Team wird ergänzt von Physiotherapeuten, Sozialarbeitern, Psychologen oder Seelsorgern. Hinzu kommt die Unterstützung von Angehörigen und Ehrenamtlichen. Fachliche und menschliche Qualifikationen sind für ein gut funktionierendes Palliativteam notwendig. Nicht nur eine kompetente Schmerztherapie und Symptomkontrolle sind auf einer Palliativstation möglich, sondern auch eine umfassende psychosoziale Unterstützung von Patient und Angehörigen.

4.5 Konsiliarteam

Ein erfahrenes Team in der Palliativmedizin (Arzt, Krankenschwester, Krankenpfleger, Seelsorger, Physiotherapeut) bietet seine Kenntnisse und Erfahrungen in der Schmerztherapie, Symptomkontrolle, ganzheitliche Pflege und psychosoziale Begleitung den Allgemeinstationen eines Krankenhauses an. Der Vorteil liegt darin, dass die Grundprinzipien der Palliativmedizin einen unmittelbaren Multiplikatoreneffekt erhalten. Ein palliatives Konsiliarteam ist damit für die Symptomkontrolle aller terminal Kranker ansprechbar, zu einem Zeitpunkt, der weit vor der Finalphase liegen kann.

4.6 Palliativ Care

Im Vordergrund steht das Schmerz- und Symptommanagement sowie die Begegnung von psychischen, sozialen und spirituellen Problemen. Das Ziel von palliativer Versorgung ist die größtmögliche Lebensqualität für die Patientinnen bzw. Patienten nd deren Angehörigen (WHO). Die Idee der Palliativ Care
· unterstreicht, dass Tod und Sterben normale Vorgänge des Lebens sind,
· beschleunigt weder Tod noch verzögert es ihn,
· schließt psychische und spirituelle Aspekte der Patientenversorgung · schafft Linderung von Schmerzen und anderen belastenden Symptomen,
mit ein.

Palliativ Care ist somit ein Unterstützungsangebot
· das den Patienten helfen soll, so aktiv wie möglich bis zum Tod zu leben,
· das den Angehörigen helfen soll, während der Zeit der Erkrankung des Patienten und in ihrer eigenen Trauerphase zurechtzukommen (WHO).

Die patientenorientierte Qualität dieses Konzeptes kommt darin zum Ausdruck, dass folgende Aspekte der Pflege hohen Stellenwert bekommen:
· Schmerzen und Symptome lindern
· Gespräche über den Tod fördern
· Angemessen aufklären
· Das Ausmaß der (medizinischen) Intervention mitbestimmen
· Die soziale, religiöse, räumliche und zeitliche Situation des Sterbens mitgestalten

5.0 Unsere Meinung zum Thema Euthanasie

Nachdem wir uns mit dem Thema Euthanasie recht ausführlich und intensiv beschäftigt haben, möchten wir abschließend noch unsere eigene Anschauungsweise darstellen.
Wie schon in unserer Arbeit erwähnt, gibt es etliche Punkte, welche für die Sterbehilfe sprechen und auch genug Argumente, um sich dagegen auszusprechen.
Unserer Ansicht nach ist es in Ordnung, einer todkranken Person zu helfen, indem man sie von den unerträglichen Qualen erlöst, wenn diese öfters den Wunsch äußerst, sterben zu wollen. Diese Person muss doch enorme Qualen leiden, und warum soll man dem nicht ein Ende bereiten? Andererseits: Woher nimmt sich ein anderer das Recht, über Leben und Tod zu entscheiden?
Wie man sieht, kann man sich eigentlich gar keine richtige, solide Meinung zu diesem Thema bilden, da es sehr schwierig ist, sich in die Lage eines Arztes hineinzuversetzen. Außerdem denken wir, dass es unheimlich schwer sein muss, mit dieser »Tat« weiterleben zu müssen. Immerhin ist der Arzt ja mehr oder weniger dafür verantwortlich, dass ein Mensch seinetwegen gestorben ist, obwohl es der Patient selber so wollte.
Auf alle Fälle, sind wir beide froh, dass uns dieses Thema nicht persönlich betrifft und wir hoffen auch, dass wir nie in die Lage kommen werden, so eine schwerwiegende Entscheidung treffen zu müssen, ob wir trotz Schmerzen leben wollen oder nicht. Andersrum möchten wir auch für keinen anderen diese Entscheidung in die Tat umsetzen, falls sich einer von uns dazu entschließt, Medizin zu studieren und den Beruf des Arztes wählt.
Wir sind trotz allem sehr froh darüber, dass wir dieses Thema gewählt haben und sind jetzt um einiges an Erfahrung und Wissen reicher. Es war eine sehr mühvolle aber auch eine höchst interessante Arbeit und wir möchten keine Stunde davon missen, die wir für dieses Projekt in Anspruch genommen haben.

Alexandra Cenek, Petra Glanz (Mai 2003, 2AL)

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